Willkommen im Religions-Philosophischen Salon Berlin

Der Religionsphilosophische Salon Berlin. Einige Hinweise von Christian Johannes Modehn und Hartmut Wiebus am 3.2.2025. Der zweite Vorname Johannes (Modehn) wird verwendet, um Verwechslungen vorzubeugen.

Wer sich zunächst für die Vielfalt der Themen interessiert, die wir in unserem “Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin” besprochen und diskutiert haben: LINK

1.
Der Religionsphilosophische Salon Berlin ist seit 2007 eine Initiative von Christian (Johannes, 2.Vorname!)  Modehn und Hartmut Wiebus. (Biographische Hinweise: Fußnote 1.)
 Übliche, also öffentliche Salon – Veranstaltungen fanden monatlich von 2007 – 2020 statt. Jetzt gestalten wir philosophisch – theologische Gespräche in kleinerem Kreis. Regelmäßig werden neue Beiträge als Hinweise zur philosophischen und theologischen Debatte auf unserer Website publiziert, bis jetzt sind es 1.800 Beiträge, “Hinweise” genannt, Stand 26.9.2025.

2.
 Titel und „Sache“ eines „(religions-)philosophischen Salons“ sind alles andere als verstaubt. Das Interesse an philosophischen Gesprächen und Debatten in überschaubarem Kreis, in angenehmer Atmosphäre eines Salons, ist evident. Das gilt, selbst wenn viele Interessierte beton(t)en, „Philosophie“ sei schwierig. Das ist sie vielleicht, nicht aber Philosophieren: Es ist das Lebenselement eines jeden Menschen.
 In unserem religionsphilosophischen Salon wird das möglichst eigenständige Philosophieren (kritische Nach – Denken) geübt.
 Philosophische Religionskritik gehört elementar zur Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie. Philosophische Religionskritik kann zeigen, welche Form einer vernünftigen Religion bzw. Spiritualität heute zur Lebensgestaltung gehören kann.

3.
 Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie gibt es nur im Plural, die (Religions-)Philosophien in Afrika, Asien und Lateinamerika dürfen nicht länger als „zweitrangig“ behandelt werden. In welcher Weise Religion dort zum „Opium“ wird angesichts des Elends so vieler Menschen, ist eine relevante Frage, auch angesichts der Zunahme von christlichem und muslimischem Fundamentalisten. Dringend ist die Frage: Inwieweit ist philosophisches Denken Europas eng mit dem kolonialen Denken verbunden?

4. 
In unseren Gesprächen wird oft erkannt: Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phien bieten in ihren vielfältigen Entwürfen unterschiedliche Hinweise zur Fähigkeit der Menschen, ihre engen Grenzen zu überschreiten und sich dem im Denken zu nähern, was die Tradition Gott oder Transzendenz nennt.

5.
 Uns ist es wichtig uns zu zeigen, dass Menschen im philosophischen Bedenken ihrer tieferen Lebenserfahrungen das Endliche überschreiten und das Göttliche, das Transzendente, erreichen können. Das Göttliche als das Gründende und Ewige zeigt sich dabei im Denken als bereits anwesend und dieses denkende Transzendieren ermöglichend. Die auf das Wesentliche reduzierte Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie von Kant gilt uns als wichtige Inspiration für eine heutige vernünftige (!) christliche Spiritualität.

6.
 Insofern ist Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie auch eine subjektive Form der Lebensgestaltung, d.h. eine bestimmte Weise zu denken und zu handeln.
Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie kennt keine Dogmen, sicher ist nur das eine Dogma: Umfassend selbstkritisch zu denken und alle Grenzen zu prüfen, in die wir uns selbst einsperren oder in die wir durch andere, etwa durch politische Propaganda, durch Konsum und Werbung im Neoliberalismus, eingeschlossen werden. Der Widerspruch und der Kampf gegen alle Formen des Rechtsradikalismus (AFD, FPÖ, Le Pen, usw.) und Antisemitismus muss zum Mittelpunkt nicht nur unserer, sondern der philosophischen Arbeit insgesamt werden. Es gilt, die Demokratie zu retten.

7.
 Die „Entdeckungsreisen“ der Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phien können angestoßen werden durch explizit philosophische Texte, aber auch durch Poesie und Literatur, Kunst und Musik, durch eine Phänomenologie des alltäglichen Lebens, durch die politische Analyse der vielfachen Formen von Unterdrückung, Rassismus, Fundamentalismus, Kapitalismus. Mit anderen Worten: Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie findet eigentlich immer – oft umthematisch – in allen Lebensbereichen statt.

8.
 Wo hat unser religionsphilosophischer Salon seinen „materiellen“ Ort? Als Treffpunkt, als Raum, eignet sich nicht nur eine große Wohnung oder der Nebenraum eines Cafés, sondern auch eine Kunst – Galerie. In den vergangenen 7 Jahren fanden wir in der Galerie „Fantom“ in Charlottenburg freundliche Aufnahme. Zuvor in verschiedenen Cafés. Kirchliche Räume, Gemeinderäume etwa, sind für uns keine offenen und vor allem keine öffentlichen Räume.

9. 
In unserem religionsphilosophischen Salon sind selbstverständlich Menschen aller Kulturen, aller Weltanschauungen und Philosophien und Religionen willkommen. Unser Salon ist insofern hoffentlich ein praktisches Exempel, dass es in einer Metropole – wie Berlin – Orte geben kann, die auch immer vorhandenen „Gettos“ überwinden.

10.
 Darum haben wir in jedem Jahr im Sommer Tagesausflüge gestaltet, mit jeweils 10 – 12 TeilnehmerInnen: Etwa nach Erkner (Gerhart Hauptmann Haus), Karlshorst (das deutsch-russische Museum), Jüterbog als Ort der Reformation, das ehem. Kloster Chorin, Frohnau (Buddhistisches Haus), das Dorf Lübars… Außerdem gestalteten wir kleine Feiern in privatem Rahmen anlässlich von Weihnachten. Auch ein Kreis, der sich mehrfach schon traf, um Gedichte zu lesen und zu meditieren, hat sich aus dem Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon entwickelt. Aber alle diese Initiativen waren (und sind wohl) mühsam, u.a. auch deswegen, weil letztlich die ganze Organisation von den beiden Initiatoren – ehrenamtlich selbstverständlich – geleistet wurde und wird. Das ist der Preis für eine völlige Unabhängigkeit.

11.
 Anlässlich der „Welttage der Philosophie“, in jedem Jahr im November von der UNESCO vorgeschlagen, haben wir größere Veranstaltungen mit über 60 TeilnehmerInnen im Berliner AFRIKA Haus gestaltet, etwa mit dem Theologen Prof. Wilhelm Gräb, dem Theologen Michael Bongardt. Der Berliner Philosoph Jürgen Große hat in unserem Salon über Emil Cioran gesprochen, der Philosoph Peter Bieri diskutierte im Salon über sein Buch „Wie wollen wir leben?“, die Politologin Barbara Muraca stellte ihr Buch „Gut leben“ vor, Thomas Fatheuer von der Heinrich – Böll- Stiftung vertiefte das Thema; der evangelische Pfarrer Edgar Dusdal (Karlshorst) berichtete über seine Erfahrungen in der DDR; der Theologe der niederländischen Kirche der Remonstranten, Prof. Johan Goud (Den Haag), war zweimal bei uns zur Diskussion, öfter dabei waren Dik Mook und Margriet Dijkmans-van Gunst aus Amsterdam…

Die Liste unserer Gäste und Refernten: Zu unseren Gästen, auch als Referenten, gehören  Theologe Prof. Wilhelm Gräb, die Soziologin Prof. Barbara Muraca, Pfarrer Edgar Dusdal (Berlin), der Studienrat für Kunst Gerd Otto (Berlin), der Theologe und Kulturwissenschaftler Prof. Johan Goud (Den Haag), der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich (Leipzig), der Philosoph Prof. Lutz von Werder (Berlin), der Philosoph Dr. Jürgen Große (Berlin), der Buddhismus-Lehrer Michael Peterssen (Berlin), der Komponist Joachim Gies (Berlin), Dr. Dorothea Hasskamp vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst (Berlin)……

12.
 Es ist uns leider deutlich, dass innerhalb der philosophischen Studiengänge an Hochschulen und Universitäten nicht im entferntesten daran gedacht wird, auch das Berufsbild eines Leiters, einer Leiterin besser „Inspiratorin“ philosophischer Salons zu entwickeln. Damit PhilosophInnen freilich ,als Salonnières arbeiten können, müsste die Kulturpolitik entsprechend handeln. Aber die interessiert sich offenbar absolut vor allem für die so genannte Hochkultur der Oper und der Theater, nicht aber für eine Form der „Basis-Philosophie“ als Möglichkeit, vor Ort unter den vielfältigen Menschen tiefere Kommunikation zu ermöglichen.
Eigentlich bräuchte es etwa in Berlin in jedem Stadtbezirk mindestens einen philosophischen Salon, besser noch ein philosophisches „Haus“ mit öffentlich zugänglicher kleiner Fach – Bibliothek , Lesezimmer, Meditations- Denk-Raum und Tee/ Kaffee-Stube.Viele leerstehenden Kirchen könnten entsprechend umgestaltet werden. Dass dort auch philosophisch – literarische Debatten oder Diskussionen zu Grundfragen der Politik, der Kunst und Musik und Spiritualität stattfinden können, ist keine Frage.

13.
 Die Bilanz: Einige wenige Interessenten außerhalb von Berlin haben die Idee des religionsphilosophischen Salons aufgegriffen. Aber wir können nicht sagen, dass etwa im kirchlichen Bereich, evangelisch wie katholisch, die Idee des freien und undogmatischen und offenen Salon-Gesprächs aufgegriffen und realisiert wurde.
Je mehr Christen aus den Kirchen austreten, um so ängstlicher und dogmatischer werden die Kirchen(führer), also auch ihre Pfarrer usw. Der Weg der Kirche in ein kulturelles Getto scheint vorgezeichnet zu sein, zumindest für die katholische Kirche. Tatsächlich haben sich über all die Jahre unserer Arbeit sehr sehr wenige “Vertreter” der großen Kirchen für unsere Initiative überhaupt interessiert. Wir haben diese Ignoranz auch als Freiheit erlebt.

14.
 Hinweis zu unseren Themen:
Eine Übersicht unserer Themen im Salon von Februar 2020 bis 2015 finden Sie hier. Die Themen von 2009 bis 2015 werden demnächst dokumentiert. Die religionsphilosophischen und religionskritischen Hinweise von Christian Modehn, publiziert auf der Website www.religionsphilosophischer-salon.de, wurden bisher mehr als 2.300.000 „angeklickt“, was immer das inhaltlich auch bedeuten mag. (Stand 3.2.2025).

15.
 Unser letztes öffentliches Salongespräch vor der Corona – Pandemie fand am Freitag, den 14.Februar 2020 , wie immer um 19 Uhr, statt, über das Thema: “Das Kalte Herz”. Mehr als ein Märchen (von Wilhelm Hauff). „Das kalte Herz“ offenbart die “imperiale Lebensweise”. 22 TeilnehmerInnen waren dabei. Leider mussten wir – wie öfter schon – acht Interessierten absagen, weil der Raum eben klein ist und nur eine überschaubare Gruppe eine Gesprächssituation ermöglicht. Aber das große Interesse, ohne jede öffentliche Werbung, allein im Internet, und ohne jede Finanzierung von außen, ist immer wieder bemerkenswert. Für einige vertiefende Hinweise zur imperialen Lebensweise: Beachten Sie diesen LINK.

16. Zu unseren Gästen, auch als Referenten, gehören etwa: Der Philosoph Prof. Peter Bieri, der Philosoph und Theologe Prof. Michael Bongardt, der Theologe Prof. Wilhelm Gräb, die Soziologin Prof. Barbara Muraca, Pfarrer Edgar Dusdal (Berlin), der Studienrat für Kunst Gerd Otto (Berlin), der Theologe und Kulturwissenschaftler Prof. Johan Goud (Den Haag), der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich (Leipzig), der Philosoph Prof. Lutz von Werder (Berlin), der Philosoph Dr. Jürgen Große (Berlin), der Physiker Dr. Hans Blersch (Berlin)…

17. Wir haben unsere philosophischen, religionsphilosophischen und theologischen Gespräche im Salon als Ausdruck der Spiritualität der freisinnigen protestantischen Remonstranten – Kirche (in Holland) verstanden. Dabei haben wir, ebenfalls der offenen, freisinnigen Theologie der Remonstranten entsprechend, keine Werbung für diese protestantische Kirche “betrieben”.

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Dieser Hinweis vom 7.2.2023 wurde am 3.2.2025 überarbeitet.

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FUßNOTE 1: 
Gründer und Initiatoren des „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin“:

Christian (Johannes, 2. Vorname) Modehn,  1948 in Berlin (Ost) – Friedrichshagen geboren, nach dem Abitur am Goethe – Gymnasium in Berlin – Wilmersdorf, Studium der katholischen Theologie (Staatsexamen nach 6 Jahren Studium in München, und St. Augustin bei Bonn und der Philosophie (Magister Artium in München, über Hegel). Christian Modehn war einige Jahre Mitglied einer katholischen Ordensgemeinschaft.  Christian Modehn arbeitet seit 1973 immer als freier Journalist über die Themen Religionen, Kirchen und Philosophien, für Fernseh- und Radiosender der ARD, sowie früher auch für die Zeitschrift PUBLIK – FORUM: LINK, sowie auch für “Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt” (Hamburg), “Informations Catholiques Internationales” (Paris), “de bazuin” (Utrecht)  usw.. Zur Information über einige Hörfunksendungen und Fernsehdokumentationen und zu einigen Buchpublikationen: LINKSeit 2010 ist Christian Modehn Mitglied der freisinnigen protestantischen Kirche der Remonstranten (Niederlande). 

Hartmut Wiebus, 1944 in Seehausen/Altmark geboren, hat in Berlin (F.U.) Pädagogik (Diplomarbeit über Erich Fromm) und Psychologie studiert, und vor allem als evangelischer Klinikseelsorger gearbeitet. Er hat u.a. viele unserer Themen angeregt und immer als Moderator die Gespräche begleitet.

Copyright: Christian Modehn und Hartmut Wiebus. Religionsphilosophischer Salon Berlin

Vernichten – Ein Wort, das unsere Gegenwart beschreibt…

…wenn „Die Philosophie ihre Zeit in Gedanken fasst“ (Hegel).
Hinweise auf eine “Zeitdiagnose” von Christian Modehn am 6.10.2025

1.
Dieser Satz hat eine bleibende Berühmtheit: „Philosophie ist ihre Zeit, ihre Gegenwart, in Gedanken und Begriffen, gefasst.“ So der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel in der Vorrede seiner „Rechtsphilosophie“ (1820).

2.
Hier wird eine „Zeitdiagnose“ vorgeschlagen – als ein Versuch einer globalen Einschätzung unserer Gegenwart, als eine These, die nicht auf die philosophisch üblichen Kriterien der universell geltenden Vernunft verzichtet. Bei der gebotenen Kürze können wir nur Hinweise bieten … zum weiteren Nachdenken und Forschen.

3.
Jede Gegenwart wird von nachdenkenden „Zeitgenossen“ als Krise erlebt. Krise verweist auf das griechische Verb κρίνειν, (krinein), es bedeutet unterscheiden und urteilen. Die entscheidende Frage zu unserer Krise heißt: Befindet wir uns nur in einem Umbruch, in einer Phase der Korrektur bzw. der Reformen des bisher Vertrauten? Oder findet ein radikaler Übergang statt aus der uns bislang bekannten Welt und ihrer Ordnung? Werden wir also in unserer jetzigen Krise von der Geltung von Demokratie und Menschenrechten getrennt, in eine weltweite Unordnung geführt, die von Gewaltherrschaft, Krieg, Zerstörung der Demokratie, Verachtung der Menschenrechte bestimmt ist? Diese Frage verstört, wird aber doch „insgeheim“ sicher als „nicht falsch“ bewertet und … meist verdrängt. Wir nennen einige Fakten, die auch uns heftig stören, Fakten, die unser Gewissen beleidigen und die wir widerlich finden, denen wir uns aber mit kritischer Erkenntnis stellen müssen… damit wir gemeinsam vielleicht eine Besserung erreichen…

4.
Wer die globale politische, ökonomische und ökologische Situation unserer Welt beschreibt und vernünftig bewertet, wird auf den Begriff Vernichtung nicht verzichten können. Die jetzt weltweit politischen Herrscher sind vom Wahnsinn der Vernichtung getrieben. Sie sind in ihren vielfältigen Aggressionen kaum noch zu bremsen. Mit dem Begriff „Vernichtung“ wollen wir keineswegs nur „akademische“ Erkenntnisinteressen bedienen. Die Vernichtung von Strukturen und vor allem die gezielte Auslöschung von Menschen sind nicht nur bedeutungsvoll für die unmittelbar betroffenen Zonen der Vernichtung, etwa im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Die schrecklichen Untaten der Hamas gegen Bewohner Israels am 7.10.2023 und danach die maßlose Gewalt der Militärs Israels gegen Palästinenser im Gaza – Streifen betreffen uns weltweit genauso auch wie die gewaltsame Überwindung der Demokratie durch Donald Trump. Denn diese Untaten vernichten immer auch die seelische und geistige Verfassung der Menschen weltweit: Auch wir, noch im demokratischen Europa, wissen uns angesichts der Aggressionen dieser „Weltherrscher“ nicht nur hilflos, sondern sind von diesen und anderen Welt- Beherrschern in die Verzweiflung und Hilflosigkeit getrieben. Das zu sagen ist alles andere als Jammern, sondern Ausdruck einer kritischen Analyse.

5.
Wenn wir also „unsere gegenwärtige Zeit“ im Begriff der Vernichtung wahrnehmen: Dann ist in „Vernichtung“ immer auch das Wort NICHTS mit – enthalten: Und NICHTS als Prinzip von aktiver Politik weist auf den nihilistischen Inhalt dieser Politik hin: Nihilismus ist das rücksichtslose Zerstören der vorhandenen Welt aufgrund einer verblendeten Ideologie, etwa des Nationalismus oder des religiösen Fundamentalismus. Wenn Politiker also vernichtend handeln, realisieren sie eine Form von Nihilismus. Sie scheuen die Mühe vernünftiger Reformen, sind unfähig zum kritischen Umgang mit ihrer leitenden Ideologie. Sie meinen in ihrem Wahn, erst nach der Zerstörung ihrer vorhandenen Welt könne eine neue Welt auferstehen. Das haben einst Nazis und ihre Ideologen immer behauptet.

6.
Politiker als Vernichter: Man lese noch einmal die aktuellen Stellungnahmen von Donald Trump, etwa seine Ankündigung eines möglichen Bürgerkriegs in den USA als Kampf gegen die angeblichen Sozialisten und Kommunisten und gegen die von Demokraten regierten Bundesstaaten. LINK

Man lese die auf diesen Bürgerkrieg unermüdlich seit Jahren schon vorbereitenden und viel beachteten Stellungnahmen von Steve Bannon. Schon 2017 berichtete „DIE WELT“: LINK

Man denke -noch wichtiger – an Mister JD Vance, den US – Vizepräsidenten, der sich seiner Konversion zum Katholizismus gern rühmt. Er ist nicht der einzige Katholik im entscheidenden, absolut militanten und aggressiven Ja – Sager Team von Mister Trump, vor allem auch Evangelikale sind einflußreich dabei, auch sie verwechseln den christlichen Glauben mit der gehässigen Trump-Ideologie des MAGA.
Evangelikale Bewegungen wollen die christliche Vorherrschaft in den USA durchsetzen, also eine christlich-fundamentalistische Autokratie. LINK
Der Milliardär Peter Thiel und Vance – Freund versteht sich „nur“ als Christ.
Einer der heftigsten Einpeitscher der vernichtenden Trump-Politik ist Stephen Miller, stellvertretender Stabschef im Weißen Haus, er stammt zwar aus einer eigentlich progressiven jüdischen Familie in Los Angeles, fühlt sich offenbarvaber unter all diesen „Christen“ wohl. LINK
Nur eine von sehr vielen unverschämten Äußerungen Stephen Millers: In einem Interview auf Fox-News sagte er über die „Demokratische Partei“: “Es handelt sich um eine Organisation, die sich ausschließlich der Verteidigung von Schwerverbrechern, Bandenmitgliedern sowie illegalen ausländischen Mördern und Terroristen widmet. Die Demokratische Partei ist keine politische Partei. Sie ist eine inländische extremistische Organisation.”
Trump und Co. sind dabei, die USA zu einer Autokratie, manche objektiven Beobachter sagen zu einer Diktatur, umzubauen. Der Philosoph Jason Stanley, Yale University sieht in den USA deswegen für sich keine Lebens – und Arbeitsmöglichkeiten mehr, er ist – wie andere Intellektuelle – nach Kanada ausgewandert, immerhin haben US – Bürger noch ein Land, in das sie sich flüchten können! 
LINK

Siehe auch den aktuellen Bericht der katholischen Theologin in Chicago, Prof.Hille Haker, veröffentlicht auf der Website des Vatican. LINK

Und der US-Amerikaner Papst Leo XIV. aus Chicago hat bisher nicht grundlegend und deutlich und scharf die unsägliche Politik Trumps kritisiert, schreibt sogar kath.de am 8.10.2027: “Umso bedrückender ist das Verhalten der katholischen Kirche. Von den US-Bischöfen kam bislang kaum öffentlicher Widerspruch gegen diese Entwicklung (hin zur Diktatur in den USA) , und auch aus dem Vatikan hört man nur verhaltene Töne… Zwar habe Papst in allgemeinen Wort die so unmenschliche Behandlung von Einwanderern in den USA kritisiert…Aber “direkte Kritik an der Regierung seines Heimatlandes war von ihm bislang  nicht zu hören…Es reicht nicht, allgemeine Appelle zur Nächstenliebe zu wiederholen.”  Quelle: LINK 

7.
Wenn Trump und die Seinen die USA in eine Art Bürgerkrieg führen, ist der Trump Staat so „ausgelastet“, dass sein Interesse an praktischer Solidarität mit der bedrohten Ukraine verschwinden wird. Und die ohnehin schon zunehmend rechts-extrem – orientierten Europäer können jubeln: Die von ihnen verachtete Demokratie und die von ihnen verachteten Menschenrechte können nun auch hier – Trump als Vorbild – wirkungsvoll zerschlagen werden: Trump gilt als eine Art „heiliger Unterstützer und Inspirator“ rechtsradikaler Herrschaft. Dieses „MAGA“ – Ideologie wird längst auf europäische Staaten übersetzt: Etwa: „Make Ungarn grait Again“, „Make Tschechien Great Again“, make Turkey great Again, „Make La France Great Again…und auch das: Siehe die Ideologie der AFD und anderer rechtsextremer Kreise sowie auch manche Kreise der CDU/CSU: „Germany first“.

8.
Die nihilistische Herrschaft als Vernichtung von Demokratie und Menschlichkeit durch das Trump Regime erzeugt die seelische, die geistige Zerrüttung der Bürger: Sie leben in den USA ständig in Angst, wenn sie denn Demokraten, Ausländer, Flüchtlinge, Bürger ohne Ausweispapiere, Menschen aus der weiten Community sind, die mit dem Kürzel „LGBTQIA+“ sehr anonym beschrieben wird. Aber auch die Europäer werden durch die Politik der Vernichtung zutiefst erschüttert, weil die MAGA Ideologie als Gift auf europäische Verhältnisse angepasst wird. Die Folgen dieser seelischen Traumata durch diese Politiker sind verheerend. Und vernünftige Leute müssen über ihre Naivität schmunzeln, die USA für eine Demokratie gehalten zu haben… Alte, eingeübte und eingepaukte politische Lehren zerbrechen und verschwinden also. Was kommt danach?

9.
Wer von der Herrschaft Trumps und der Seinen spricht, muss auch von Trumps Duz-Freund oder vielleicht, je nach dem bei Trump ,auch Feind Wladimir Putin und seiner Kriegsherren in Russland sprechen. Das ist ja alles bekannt: Putin, der Aggressor im Krieg gegen die Ukraine, bedroht andere Länder Europas, nimmt immer mehr Einfluss auf die Politik in Europa; er unterstützt die rechtsextremen Parteien und die sehr rechtslastigen Politiker Europas (Orban und Co.).Putin versucht massiv, Wahlen in Europa zu beeinflussen, jetzt offenbar auch die Wahen in Tschechien: „Am Mittwoch meldete der tschechische Inlandsgeheimdienst den massenhaften Einsatz prorussischer TikTok-Konten, die gezielt populistische Parteien unterstützten. Grundlage war eine Analyse der NGO Online Rizika.“ LINK
Den katholischen Bischöfen in Tschechien fiel nach dieser Wahl nichts anderes ein, als sofort dem Sieger, dem rechtslastigen Milliardär Babis, zu seinem Sieg zu gratulieren! Wahrscheinlich erhoffen sich die Bischöfe nach altbekannter Art, irgendwelche Vorteile für katholische Schulen oder für den Erhalt ihrer zerfallenden Kirchengebäude. LINK

10.
Wer vom Diktator Putin und seinem Regime spricht, muss auch von dessen ideologisch – religiöser Stütze sprechen, der Russisch – Orthodoxen Kirche, wird beherrscht vom Putin – Freund, dem Patriarchen Kyrill, wie dieser einst Mitglied des kommunistischen KGB. Patriarch Kyrill I. von Moskau ist seit Beginn des Mordens in der Ukraine ein Kriegstreiber und gleichzeitig der Verfolger der wenigen Priester, die als Christen noch ihre Stimme gegen diese Putin- Kirche erheben. Die sich um den steinreichen Patriarchen Kyrill sammelnden orthodoxen Bischöfe beseitigen jedenfalls hoffentlich weltweit den letzten Respekt für diese Kirche sowie für andere orthodoxe Kirchen Europas, die sich Putin andienen…Tatsache also auch dies: Die russisch – orthodoxe Kirche gehört auch zu den Vernichtern! Und sie ist als solche immer noch Mitglied im „Ökumenischen Rat der Kirchen“ in Genf. Die Leute dort hoffen – naiv – auf Dialog mit dem Kriegstheologen Kyrill…

11.
Wie lang ist die Liste der Staaten, die unsere Vorstellung von der Gültigkeit der Demokratie und der Menschenrechte vernichten? Wir sollten den Iran nennen oder viele andere Staaten, die sich auf islamische Werte lügnerisch berufen? Wir sollten vom Ein-Parteien-Staat China sprechen und der stalinistischen Diktatur in Nord-Korea? Und von den Diktaturen in Lateinamerika, in Venezuela, Nicaragua, El Salvador, Kuba und dabei das Leiden der Menschen im untergehenden „Staat“ Haiti nicht vergessen. Genauso wie wir nicht vergessen die Macht internationaler Konzerne, die in verbrecherischer Raff-Gier etwa in der Amazonas Region nicht nur viele tausend Quadratkilometer Wald, sondern damit auch den Lebensraum der Indigenas vernichten. Wir sollten von der Regierung Netajahus und seiner rechtsextremen Koalitionspartner sprechen und deren völlig unverhältnismäßigem brutalen Reagierens auf die Palästinenser im Gaza Streifen — als Rache auf die grausamsten Terror-Anschläge der Hamas am 7. Oktober 2023. Bekanntlich bedeutet der Spruch aus dem Alten Testament „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, dass man als frommer Jude einem Übel-Täter NUR den gleichen Schaden zufügen soll, den er selbst verursacht hat. Also: Was gelten eigentlich biblische Weisheiten in Israel, in dem explizit jüdischen Staat, der Demokratie der Juden, fragen auch einige Juden weltweit. Wir wissen auch keine Antwort ….66.000 Menschen sind bisher durch Angriffe des israelischen Militärs in Gaza getötet worden, 168.000 Menschen wurden in Gaza verletzt, Quelle: LINK 
Wer will diese endlose Liste der Vernichter und deren Vernichtung fortsetzen? Wer schreibt die langen Listen der kriminellen Banden, der international agierenden Mafia, der Drogen- Kartelle und so weiter und so weiter. Wer wagt dies alles in einer Philosophie der Gegenwart zu übertragen?
Von Theologie reden wir gar nicht, die würde eher wie üblich behaupten: Da hilft nur noch beten. Aber betet Trump zum selben Gott wie Putin, wenn sie denn beten? Welche Bittgebete unterschiedlicher Beter soll Gott im Himmel erhören? Welch ein Wahn, diese alte Theologie der Bittgebete mit einem Gott, der unmittelbar ins Weltgeschehen eingreifen soll…Bittgebete können bestenfalls den einzelnen etwas seelisch beruhigen, mehr nicht.

12.
Die noch verbliebenen demokratisch denkenden Menschen in Deutschland und anderen Ländern Europas werden sich mit der Frage befassen müssen: Wir stark sind wir von diesen uns förmlich total umgebenden vernichtenden Herrschern schon selbst innerlich vernichtet, im Sinne von entmutigt, hoffnungslos, antriebslos, depressiv, den Machtverhältnissen irgendwie ergeben? Die Tatsache gestehen sich viele Menschen ein: Diese Vernichter – Herrscher haben uns schon fast fertig gemacht. Was bleibt uns? Haben wir Widerstandsreserven? Wir müssen genau hinsehen, wenn auch in Deutschland sehr konservative Politiker der üblichen sich konservativ nennenden, aber de facto schon sehr rechtslastigen Parteien von einer kulturellen und sozialen Wende nicht nur schwadronieren, sondern diese Wende auch politisch durchsetzen… auf Kosten der Flüchtlinge, der „Ausländer“, der Armen. Diese Politiker der sich noch ziemlich dreist christlich nennenden Parteien denken gar nicht daran, angesichts steigender Sozialausgaben die Milliardäre und Multimillionäre zur Kasse zu bitten zwecks selbstverständlicher solidarischer, mitmenschlicher Hilfe in sozialer Not. Aber die Freunde und Vorgänger unserer Herren Politiker haben ja die bestehenden Gesetze geschaffen, mit denen es unmöglich ist, eine gerechte Steuer der Millionäre und Milliardäre gesetzlich einzurichten. Diese Form von Demokratie steht sich also doch mit ihren offenbar nicht mehr zu korrigierenden Gesetzen selbst im Wege…

13.
Eine traurige Erkenntnis also: Wir leben in einer Welt der Vernichtung und der Vernichter. Wer beklagt noch die Reduzierung der Entwicklungshilfe, wer beklagt noch den Stop von USAid durch den Herrscher Trump: er lässt damit zu, dass die Ärmsten in Afrika nicht mehr geimpft, nicht mehr elementaren gesundheitlichen Schutz erhalten. Wer spricht noch vom Massensterben im Sudan? Man hat den Eindruck, es gibt wertvolle und weniger wertvolle Tote, wie etwa im Sudan oder in Haiti, über die man guten Gewissens meist schweigen kann, um sich dann immer wieder nur den „wertvollen“ Toten in den Talkshows zuzuwenden…

14.
Was bleibt uns? Ich weiß nur Ansätze von Antworten: Weiterhin kritisch die Vernichter in ihrer Vernichtung benennen, also Erkenntnisse dazu öffentlich unermüdlich verbreiten und miteinander diskutieren. Also wieder die kleinen Gesprächsgruppen pflegen, die nicht wegen des Plauderns, nicht wegen eines gelangweilten BlaBla zusammenkommen, sondern um sich philosophisch wie politisch zu ermutigen … Um dann mutig zu handeln, die vernünftig gebliebenen Politiker ins Gespräch ziehen und sie unterstützen und den drohenden Ruck ins Rechtsradikale in Deutschland, Frankreich, Holland, Italien, Tschechien, Polen und so weiter und und so weiter zu stoppen…

15.
Man wird es mir als Philosophen und durchaus noch immer Liebhaber vernünftiger Formen der klassischen Metaphysik nicht übel nehmen, wenn ich angesichts der genannten vielfältigen Formen der Vernichtung meine: Mir bleibt TROTZDEM durchaus eine Art „metaphysischer Trost“. Der wird sich kaum an der Stoa orientieren, die zwar richtig sagte: Was uns allein im Denken und Handeln bestimmen sollte, ist unsere eigene Fähigkeit, in unserem begrenzten Umfeld das für uns und für andere Gute zu tun. Diese Antwort ist mir zu bescheiden und zudem auch zu unpolitisch: Grundlegender wäre die philosophische Frage: Gibt es vielleicht doch einen letzten uns tragenden Sinn-Horizont oder einen letzten sinnvollen „Boden“ auf dem wir stehen und von dem wir leben, auch wenn unser Dasein (und das der wirklich arm Gemachten im globalen Süden) zu Tode bedroht ist von Vernichtern weltweit? Diese „metaphysische Basis-Erkenntnis“ lässt sich verschieden interpretieren und ausweiten, bis hin ins Vernünftig-Religiöse und Vernünftig-Christliche. Da wird jeder und jede seinen Weg finden. Aber, angesichts der beschriebenen Vernichtung wird vernünftige Metaphysik eine Überlebenshilfe bleiben. Man lese zudem Erich Fromm, und seine Hinweise zu der erreichbaren lebensfreundlichen, der biophilen Haltung TROTZ aller heftigen Vernichtungserfahrungen, der Nekrophilie.

16.
Wir haben unsere Hinweise mit einem Wort des Philosophen Hegel begonnen, wir wollen mit einem Wort Hegels auch unsere Reflexionen abbrechen, diesmal folgt ein Zitat aus der Vorrede der „Phänomenologie des Geistes“ (1807): „Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt, und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese Macht …ist der Geist nur, indem er dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt. Dieses Verweilen ist die Zauberkraft, die das Negative in das Sein umkehrt.“
So kann man eine philosophische Hoffnung formulieren, die ganz der Macht des Geistes, der Vernunft und damit dem Argument, vertraut … zur Überwindung der Macht des Vernichtenden und der Vernichtenden.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

 

 

 

 

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Die Möglichkeit der Unvernunft. Und die Notwendigkeit der Vernunft…

Philosophische Perspektiven zum Thema einer Ausstellung von Jan Böhmermann in Berlin
Hinweise von Christian Modehn am 3.10.2025

Die Vernunft verteidigen – ein ständiges Thema der Philosophie.
Aber kein Thema, bei dem man angesichts seiner „Komplexität“ an der Möglichkeit der Vernunft verzweifelt und sich für die Unvernunft in ihren verschiedenen Formen entscheiden sollte.

Wir werden aktuell an die Verteidigung der Vernunft erinnert durch die Ausstellung Jan Böhmermanns und seiner Gruppe Royale (ZDF) im „Haus der Kulturen der Welt“ in Berlin (vom 27.9 bis 19. 10. 2025). Jan Böhmermann hat seiner Ausstellung den Titel gegeben „Die Möglichkeit der Unvernunft“.

Wir bieten hier keine „Besprechung“ und auch keine “Rezension” dieser Ausstellung. Wir sind nur im guten Sinne provoziert vom Titel „Die Möglichkeit der Unvernunft“.

 

1.
Wer von Unvernunft spricht und damit etwa bestimmte Verhältnisse als unvernünftig bewertet, hat in seinem Denken einen – vielleicht noch wenig ausgearbeiteten – Begriff von Vernunft. Und er bewertet trotzdem Vernunft höher als Unvernunft, meint also, anstelle der bestehenden Unvernunft sollte eigentlich Vernunft herrschen und gelten.

2.
Man sollte das Thema, zumal für philosophisch ungeübte LeserInnen, an einfachen, aber eindringlichen Beispielen erläutern:
Wir wehren uns gegen eine Haltung, die wir Unvernunft nennen, wenn jemand in einem brennenden Haus das Feuer nicht löschen will, sogar in dem Wissen, dass dort Menschen verbrennen.
Wir wehren uns gegen eine Haltung, die wir Unvernunft nennen, wenn wir zusehen, dass Menschen bis zu Tode verprügelt werden.

3.
Vernunft ist also mitten im Leben, in unserer “Lebens-Praxis”, direkt oder unthematisch verwurzelt und lebendig. Und Unvernunft zeigt sich in großer Vielfalt, etwa in vielen Formen unmenschlichen Verhaltens.

4.
Vernünftig auf die in 2. genannten Beispiele reagieren geistig stabile und gesunde Menschen, also Menschen ohne Gehirnschäden und Menschen, die ideologisch nicht total verdorben sind durch Rassismus, Antisemitismus, Faschismus usw.
Die Beispiele machen darauf aufmerksam: Die Vernunft und damit die Vernunfterkenntnis als Bewertung einer menschlichen, ethisch – humanen Haltung und Handlung ist in den Menschen präsent. Natürlich wird gleich wieder an gewissenlose Massenmörder erinnert oder an die KZ – Henker, die aufgrund ihrer totalen Nazi -Ideologie tatsächlich ohne jegliche Betroffenheit Juden im KZ erschossen hatten oder in die Gas – Kammern schickten. Aber selbst Massenmörder oder KZ – Henker hatten noch einen Rest von Vernunft, weil sie sich vernünftigerweise um ihre eigene Gesundheit noch kümmerten oder ein bürgerliches Leben mit ihren gut umsorgten Kindern führten.

4.
Vernunft hat also im Geist, im “Innern” der Menschen ihren Ort, der nicht total zu zerstören ist durch Ideologien. Vernunft zeigt sich als eine ethische Haltung, sie will – unter allen Umständen – Gutes für die anderen Menschen und für sich selbst.

5.
Die im praktischen Leben sich zeigende Vernunft, die Gutes will für die anderen wie für sich selbst, stellt ein allgemeines formales Kriterium innerhalb der Lebensorientierung zur Verfügung. Ich erinnere nur an Kants „Kategorischen Imperativ“, der keine ethischen Inhalte beschreibt, sondern „nur“ formal im Handeln zum Nachdenken auffordert: Kann meine Lebensmaxime (also mein subjektiv gelebtes Leben mit seiner subjektiven Lebensphilosophie) allgemeines, also für alle Menschen geltendes Gesetz werden? Nur ein Beispiel: Kann mein Gebrauch von Pestiziden auf meinen Wiesen und Feldern allgemeines Gesetz werden? Sicher nicht, denn dann werde ich alsbald selbst kein gesundes Gemüse mehr essen können. Die Europäer haben offiziell, aber nicht de facto, den Einsatz von Pestiziden für Europa verboten, hingegen wird das Gift den armen Bauern im globalen Süden immer noch verkauft. LINK https://www.publiceye.ch/de/themen/pestizide/massive-zunahme-der-exporte-aus-der-eu

6.
Europa (aber auch die USA, Russland, China) handelt also wie der faschistische Herrenmensch, der sich einredet, wertvoller und besser zu sein als der arme Mensch, der arme Bauer, im globalen Süden. Die Idee der Gleichheit aller Menschen („alle Menschen haben den gleichen Wert und brauchen die gleiche Förderung“) wird also von den Herrschenden faktisch ignoriert oder mit diplomatischen Floskeln beiseite geschoben: Die Pestizid erzeugenden Konzerne sind einflussreicher als die Menschenrechte. Und selbst in Europa werden die Pflanzenschutzgifte immer noch verwendet: LINK https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/pflanzenschutzmittel-pestizide-risikopruefung-100.html

7.
Unsere Hinweise zum “Kategorischen Imperativ” als Ausdruck der allgemeinen Vernunft haben uns weiter geführt zur Erkenntnis der universell geltenden vernünftigen Menschenrechte. Und sie führen zur Erkenntnis der „Arbeit“ unserer Vernunft: Unsere Vernunft kann sich selbst in ihren Aktionen und Erkenntnissen betrachten und bewerten und korrigieren. Das muss ganz genau gesehen werden: Unsere Vernunft kann sich auf ihre aktuellen Gestaltungen des Lebens beziehen und dabei unterscheiden: Diese Gestalt des Lebens ist vernünftig oder eben tatsächlich unvernünftig. Die Kriterien für vernünftig wurden schon genannt. Dabei zeigt sich: Vernünftig hat immer die Bedeutung von unersetzlich für ein humanes Leben, für eine geistige und materielle Entwicklung meiner selbst und der Gesellschaft, des Staates. Vernünftig hat also immer eine humane, man möchte sagen humanistische Bedeutung.

8.
Diese Erkenntnis der Kriterien für ein vernünftiges, also humanes Leben (siehe: Kategorischer Imperativ, Menschenrechte) ist zwar in Europa – durch Kant etwa – deutlich formuliert worden. Aber diese Erkenntnis ist nicht etwa regional begrenzt, bloß weil sie an einem Ort in Europa formuliert und publiziert wurde. Diese Erkenntnis ist universell.

9.
Selbst in den Kulturen Afrikas oder Asiens, und wohl auch in totalitären Regimen werden zumal leidende, gequälte Menschen immer ihre Rettung suchen im Insistieren auf der Geltung der Menschenrechte auch für sie. Selbst wenn die totalitäre Ideologie den Verstand der meisten Menschen so verblendet hat, dass sie verletzten Kindern, Frauen, Selten auf der genannten Straßen nicht helfen, werden sie doch wohl einem stolpernden Parteibonzen aufhelfen, weil sie wissen: Das kann für sie selbst vorteilhaft, also irgendwie dann doch gut sein…

10.
Diese kurzen Reflexionen zur Geltung der Vernunft in der Praxis des Lebens machen deutlich: Es gibt in der Menschheit tatsächlich Strukturen der einen, universell geltenden Vernunft. Wir haben dies für den Bereich des praktischen Lebens gezeigt. Auch für die theoretische Philosophie als einer Reflexion auf die allgemeine und wissenschaftliche Erkenntnis ließen sich Strukturen universell geltender Vernunft zeigen, man denke dabei, gleichsam nur als Einstieg zu diesem Thema, an die universelle Geltung mathematischer Erkenntnisse.

11.
Unser Ausgangspunkt war der Titel der Böhmermann Ausstellung „Die Möglichkeit der Unvernunft“. Über die weit verbreitete Unvernunft wäre nun mit den Mitteln und den Kriterien der universellen Vernunft zu sprechen: Da wird jeder und jede seine Erfahrungen beschreiben können, etwa mit unvernünftiger Praxis (die Scharlatane in allen Sparten), unvernünftiger Politik (Ignorieren des Klimawandels), unvernünftigen Parteiprogrammen etwa der Rechtsextremen („Deutschland ist kein Einwanderungsland“, „es gibt wertvolle Deutsche und schlechte, zu vertreibende, etwa die Flüchtenden“). Wichtig ist in der expliziten Kritik der Unvernunft zu wissen: Sie geschieht immer mit den Mitteln und den Kriterien der universellen Vernunft.

12.
Es gab vor kurzem noch eine Bewegung, die sich “postmoderne Philosophie” nannte und die auch etwas Furore machte. Sie versuchte uns einzureden, es gebe verschiedene „Vernünfte“, die alle irgendwie gleichberechtigt seien. „Anything goes“, war förmlich das Motto. Diese These von der nicht mehr in eine höhere Vernunft zu überführende Vielfalt der „Vernünfte“ geistert noch herum, hat sich aber philosophisch von selbst erledigt: Denn der postmoderne Philosoph, der eben die vielen Vernünfte propagiert, hat dann doch das Konzept von der einen Philosophie im Hinterkopf: Nur so kann er eben bestimmte Phänomene explizit eine von Philosophien nennen, andere aber eben Kunst oder Literatur oder Ideologie.

13.
Wichtig ist, dass die Erkenntnis der Gültigkeit der einen universell geltenden Vernunft auch für die verschiedenen Religionen angewendet werden muss. Denn wenn die willkürlich erfundenen Dogmen und religiösen Mythen aus einer gewissen inneren Widersprüchlichkeit befreit werden müssen (etwa: „Welcher Gott wirkt Wunder nur für mich, aber nicht für andere“), dann kommt man mit intern – dogmatischen Behauptungen der Religion selbst nicht weiter. Da helfen nur allgemein gültige vernünftige Erkenntnisse. Der Philosoph Omri Boehm hat treffend nachgewiesen. Selbst für den Gott des Alten Testamentes gilt das universelle Prinzip der Gerechtigkeit: Gott steht unter der allgemein gültigen, humanen Gerechtigkeit, das zeigt Boehm am Beispiel der fast „gelungenen“ Opferung Isaacs durch seinen Vater Abraham… Und die katholische Kirche wird in einigen Jahrhunderten wohl doch erkannt haben: Dass auch für die innere Gestaltung ihrer Struktur und Lehre nur die Menschenrechte wichtiger sind als irgendwelche ideologisch zusammen gesuchten Zitate aus dem Munde Jesu von Nazareth etwa zur Ausschließlichkeit des Priesteramtes nur für Männer. Mit Zitaten aus der Bibel lässt sich alles Mögliche beweisen oder alles Mögliche ablehnen. Da versagt die Theologie, die Dogmen wichtiger nimmt als philosophische Vernunft – Erkenntnisse. Gegen die exzessiven und zum Teil gewalttätigen evangelikalen Kirchen in den USA wird nur mit der Vernunft kritisch begegnen können.

14.
Dass es eine vernünftige, humane, nicht -hierarchische christliche Religion grundsätzlich geben kann und geben sollte, habe ich in der Auseinandersetzung mit Kants sehr lesenswerten „Religionsschrift“ (1793) gezeigt. LINK.

15.
Das Thema der Ausstellung Jan Böhmermanns in Berlin ist also philosophisch sehr inspirierend. Die Unvernunft im Plural aller nur denkbaren Verirrungen herrscht heute überall vor. Und eine vernünftige, d.h. menschliche, demokratische Welt mit der universellen Geltung der Menschenrechte bleibt auf ewig ein Ziel, wahrscheinlich ist es unerreichbar, aber der Gedanke an diese universell geltenden Vernunft ist in Zeiten total gewordener Unvernunft unverzichtbar und für den einzelnen zum Überleben in diesen Zeiten niemals aufzugeben.

14.
Was wir brauchen sind Medien und Veranstaltungen, die immer wieder im Detail vernünftig die Präsenz der Unvernunft aufzeigen.Leider sind viele Politiker in den Demokratien jetzt schon so unvernünftig, dass sie die Stimmen der vernünftigen Kritik kleinmachen, wenn nicht ausschalten wollen. Jan Böhmermann legt jedenfalls nach meiner Meinung immer wieder in seiner ZDF Sendung diese Dimensionen der Unvernunft frei. Dass die Anzahl seiner Sendungen von den ZDF Herren gekürzt werden soll, ist weiterer Ausdruck der Macht von Unvernunft. Unsere Frage bleibt:
Wie lange haben wir die Kraft, uns gegen die zunehmende Unvernunft allerorten zu wehren? Und wie sollen wir vernünftig mit Unvernünftigen, etwa Rechtsradikalen und deren Parteien umgehen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Wenn die Kirchen zu viele Kirchen haben

„Leben statt Leere“: Zu einem neuen Buch (2025) über den Umgang mit „überflüssigen“ Kirchengebäuden

Hinweise von Christian Modehn am 30.9.2025

1.
Seit 1990 wurden in Deutschland 514 evangelische Kirchengebäude aufgegeben, davon wurden 128 abgerissen; bei den Katholiken wurden 603 „Gotteshäuser“ seit 1990 aufgegeben, davon 173 abgerissen. Quelle:„Plus- Minus“, Magazin der ARD/Das Erste am 24.9.2025.
Gerade der Abriss von Kirchengebäuden kann als Symbol verstanden werden für das stetige Verschwinden der Kirchen in Deutschland und Europa. Ob damit auch der christliche Glaube langsam aber „sicher“ verschwindet, ist eine andere Frage. Und: An irgendeinen Gott (vielleicht Götzen) glauben wohl die meisten, weil sie Menschen sind und immer irgendwie „gläubig“ sind, aber das ist Philosophie…

2. Immer weniger Kirchenmitglieder
Weil immer mehr Kirchenmitglieder in Deutschland aus der Kirche austreten, haben die Gemeinden und Landeskirchen bzw. die Bistümer wegen der ausbleibenden Kirchensteuern kein Geld (und kein bezahltes Personal) für den Erhalt ihrer vielen Kirchengebäude. 23.000 Kirchengebäude (oft mit Gemeinderäumen und Wohnungen) besitzt die Evangelische Kirche noch in Deutschland, 24.000 Kirchengebäude (oft mit Gemeinderäumen und Wohnungen) die katholische Kirche. Zu den großen Kirchen gehören (2024) 39 Millionen Mitglieder, für das Jahr 2060 werden schätzungsweise noch 23 Millionen Bewohner Deutschlands Kirchenmitglieder sein. Dass die Bewohner Deutschlands mehrheitlich in Zukunft wieder Kirchenmitglieder werden: Daran glauben wohl selbst die frömmsten Bischöfe nicht. Da ist also Eile angesagt, wollen die Kirchen Schließung, Verkauf, „Mischnutzung“ oder Abriss von Gotteshäusern mit den jeweiligen Kommunen sinnvoll und das heißt immer auch mit finanziellem Gewinn gestalten. PS: Über die vielen, z. T.”überflüssigen”, z.T. hübsch renovierten Dorfkirchen in Brandenburg habe ich 2020 einen provozierenden Beitrag verfasst. LINK

3. Könnten Kardinäle, Bischöfe, Pfarrer auf einen kleinen Teil ihres Gehaltes verzichten?
Man könnte denken: Zur Finanzierung des Erhalts wenigstens einiger, von den Gläubigen als sehr wichtiger angesehener bestehender Kirchen – Gebäude könnten auch die Kürzungen der Gehälter von Pfarrern, Oberkirchenräten, Erzpriestern und Bischöfen und Kardinälen beitragen, dies wäre ein schlichter solidarischer, aber öffentlich wirksamer Effekt. Kardinal Marx von München hat immerhin Ende Dezember 2020 tatsächlich 500.000 Euro aus seinem Privatvermögen (sic!) für „Betroffene des sexuellen Missbrauchs“ in seine Stiftung eingezahlt. Quelle: LINK
Kardinal Marx erhält – aus Staatsleistungen Bayerns – ein Monatsgehalt von etwa 13.600 €. Kardinal Woelki in Köln erhält ein Monatsgehalt von 13.800 €, ziemlich unbescheiden, wenn man bedenkt, dass sein Verhalten im Zusammenhang von sexuellem Missbrauch ein Hauptgrund war und ist für die große Austritts-„Welle“ im Erzbistum Köln…Quelle: LINK
Ein evangelischer Pfarrer verdient in Deutschland heute durchschnittlich 5.300€ brutto im Monat. Ähnliche Gehälter erhalten katholische Pfarrer, auch bei ihnen gilt: Oft mit freier Dienstwohnung…

4. Kirchen verkaufen und umwandeln: Alles andere als ein Nebenthema
Der vielfältige mögliche Umgang mit „überflüssig“ gewordenen, also nicht mehr klassisch für Gottesdienste/Messen zu nutzenden Kirchen bzw. Gotteshäusern ist alles andere als ein kulturelles „Nebenthema“. Diese Frage gehört ins Zentrum der Debatten über die Umbrüche der Religionen und Kirchen in Europa heute. Man beachte immer dabei: Für Protestanten sind Kirchengebäude eben nur Gebäude genutzt für Gottesdienste usw., aber eben nicht wie bei Katholiken eher verehrungswürdige „Gotteshäuser“…
Über eine umfangreiche Foto – Dokumentation von verfallenen, allmählich nur noch als Ruinen wahrnehmbaren Kirchengebäuden in einigen Ländern Europas habe ich im Jahr 2020 eine Rezension geschrieben. LINK
Dabei wird deutlich: In Frankreich wurden schon im 19.Jahrhundert viele Gotteshäuser von der Kirche aufgegeben, weil einfach die Gläubigen nicht mehr gläubig waren und die Messe nicht mehr besuchten, man sehe sich dazu etwa im Département Yonne oder in anderen Gegenden Burgunds oder des Limousin (Guéret!) um…

5. Ästhetisches – religiöses Erleben angesichts von (umgewandelten) Kirchen
Heute gilt in Deutschland die allgemeine ästhetische Überzeugung: Kirchengebäude in unseren Städten und Dörfern als Ruinen wahrzunehmen, ist nicht förderlich für einen guten Gesamteindruck und nicht inspirierend für einen letzten Rest spirituell – christlicher Stimmung unter den Bürgern. Ein schönes Kirchengebäude in einer grauen Stadtlandschaft oder in einem sonst langweiligen Dorf in Brandenburg empfinden selbst Atheisten noch als ästhetische Bereicherung. Und selbst die Kirchenleitungen sind überzeugt: Wenn bei umgewandelten Kirchengebäuden wenigstens nach außen hin eine „christliche Aura“ durch die erhaltenen Kirchen – Fassaden, Außenmauern, bunten Fenster und den Glockenturm (mit noch immer läutenden Glocken), dann sind solche Umwandlungen ein Erfolg. Der protestantische Theologen und EKD – Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen definiert den klassischen Begriff für Gottesdienst, und dies ist der Begriff Liturgie, in einem sehr weiten Sinne: Er meint, Liturgie sei als Dienst auch im allgemeinen Menschlichen zu verstehen, nicht nur als explizite Gottes – Dienst – Veranstaltung (richtig „klassisch“). So kann seiner Meinung nach eine umgewandelte Kirche, etwa als Bibliothek, noch einen guten humanen Dienst leisten, also irgendwie dem Begriff Liturgie gerecht werden (Seite 118ff.) Claussen meint zudem sehr gewagt: „Wer an dem Kirchenbau vorbeigeht, entwickelt nicht selten so etwas wie alltägliche Liturgie. Man schaut hoch auf den Turm und seine Uhr, nimmt einen Glockenschlag wahr, lässt die Architektur für einen Augenblick auf sich wirken, erinnert sich kurz an hier Erlebtes, es kann sich dabei so etwas wie eine `Religion der Religionslosen?(Robert Musil) ereignen.“ (Seite 119). Ob sich dieses weltliche punktuelle und kurzfristige irgendwie spirituelle Liturgie – Erlebnis auch im Angesicht einer umgebauten Kirche sich ereignet, ist eine offene Frage: Zudem: Dieses kurze, irgendwie noch christlich geprägte Erleben angesichts eines umgewandelten Kirchengebäudes gilt sicher nur für Menschen, die diese Kirche einst von innen gesehen haben und vielleicht an einem Gottesdienst teilgenommen haben, aber diese alten Menschen sterben leider aus…

6. Zum Gottesdienst eine umgewandelte Kirche mieten
Das ziemlich umfangreiche neue Buch mit dem sehr provozierenden Titel „Leben statt Leere. Überlegungen und Anregungen zum Umgang mit unseren Kirchen“ ist auch deswegen wichtig, weil zu den AutorInnen keineswegs nur TheologInnen gehören, sondern vor allem SpezialistInnen für Baukultur und Stadtentwicklung, für Baudenkmäler, Fachleute fürs Stiftungswesen oder Gedenkstätten usw. Die 28 Essays handeln also von rechtlichen Problemen bei der „Nutzungserweiterung“ der Kirchen, beschreiben die Vielfalt neuer „Nutzungen“ der einst nur religiösen Kirchengebäude. Die gemeinsame Nutzung durch eine Kirchengemeinde wie auch durch „weltliche“ neue Nutzer scheint mir besonders wichtig zu sein. Nebenbei: In Amsterdam etwa mieten arm gewordene Kirchengemeinden am Sonntag ihre einstige Kirche für zwei Stunden, die sonst in ein Museum bzw. ein Kulturzentrum ist. In dem genannten Buch ist vor allem der Beitrag von Leona Lynen sehr inspirierend, wenn man konkrete, schon realisierte, vielleicht erfolgreiche Projekte kennenlernen will.

7. Die noch aktiven Kirchen sind meist leer
Der Titel des Buches „Leben statt Leere“ ist sehr provokativ: Er kann nämlich suggerieren: Einst, als die Kirchengebäude noch für Gottesdienste/Messen genutzt wurden, herrschte eigentlich Leere: Das ist sogar richtig, wenn man sich die Statistiken der Teilnahme am evangelischen Gottesdienst in einigen Städten und Dörfern anschaut: Da sitzen sonntags um 10 Uhr in vielen Gemeinden Berlins, Leipzigs, Hamburgs usw. nur einige wenige, ziemlich weit voneinander, in den Bänken. 3,3% der Protestanten in Deutschland setzen sich sonntags um 10 in die Kirche. Es gibt in Brandenburgs Dörfern beheizbare „Winterkirchen“ innerhalb der großen Kirchen. „Winterkirchen“ sind die Zimmerchen gleich am Eingang: Die dort aufgestellten 20 Stühle sind treffender Ausdruck der erwarteten TeilnehmerInnen von „Sonntags um 10 oder 11“. An der katholischen Sonntags – Messe nehmen im Erzbistum Berlin etwa noch etwa 8,5 % der Gläubigen teil. Aber auch hier gilt, zumindest in Berlin: Nach den Gottesdiensten werden die Kirchen verschlossen, weil auch kein „Freiwilliger“ mehr da ist, der „aufpasst“ und mögliche Diebe vertreibt. So stehen die großen Kirchen während der Woche also leer herum, die tatsächliche „Nutzungszeit” beträgt wahrscheinlich nur etwa 4 Stunden pro Woche, wenn man Orgelkonzerte, Taufen oder Trauungen zu den Gottesdiensten mitzählt. Gäbe es nicht die immer noch sehr gut „besuchten“ Heilig – Abend Gottesdienste, sähe die Jahres – Statistik zum Gottesdienstbesuch sehr düster aus.
Darum ist der Titel „Leben statt Leer“ treffend: Die vorhandenen Kirchengebäude stehen wirklich fast immer leer herum. Und selbst tagsüber offen gehaltene Kirchen stehen zu Zeiten leer, wo sie eigentlich genutzt werden könnten: Hier in Berlin – Schöneberg, wo ich lebe, sitzen sehr viele junge Leute an jedem Sommerabend auf Grünanlagen vor der Apostel -Paulus – Kirche, sie trinken und plaudern und lachen, eine Art kleine Oase. Die Kirche, schließt um 18 Uhr. Aber dann beginnt erst das turbulente Leben im unmittelbaren Umfeld der Kirche… In Paris habe ich einst so genannte „Nacht-Kirchen“ – offen meist am langen Wochenende- kennengelernt und für die ARD dokumentiert, wie die Kirchen St. Gervais, St. Severin, St.Leu usw… Sie waren bis über Mitternacht hinaus offen. Heute zwingt der „Vandalismus“ in den Kirchen zu früher Schließung… Vielleicht sind die Kirchen sogar ein ganz kleines Bißchen froh, weil sie heute keine ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, „Aufsicht“, mehr haben. Damals waren die Gemeindepfarrer in ihren Nachtkirchen anwesend.

8. Viele schöne Fotos umgewandelter Kirchen
Das Buch „Leben statt Leere. Überlegungen und Anregungen zum Umgang mit alten Kirchen“ enthält auf 240 Seiten 28 Essays. Genauso wichtig aber ist: Das neue „Leben“ der Kirchen wird auf mindestens 60 ganzseitigen Farbfotos so anmutig und so schön präsentiert, dass man eigentlich denken kann: Prima, dass diese Kirchen nun keine expliziten Gotteshäuser mehr sind. Die umgebauten Kirchen sind jetzt sehr lebendige Häuser, etwa prächtige Buchhandlungen oder angenehme Kindergärten oder hübsche Theater oder gar nicht so bescheidene Kleiderkammern für Arme, auch die Jugendherbergen sind beachtlich, erstaunlich, dass einige Kirchenfenster und dezent erhaltenen Kreuze den Früstücksraum schmücken. Man möchte also meinen: Endlich haben diese einst grauen, selbst sonntags fast leeren und während der Woche fast immer verschlossenen Kirchen/Gotteshäuser eine sympathische, so menschliche, durchaus progressive Ausstattung erhalten… Und man wird Theologen fragen, ob sie diese Entwicklung ebenfalls sympathisch und entzückend finden können und – normativ betrachtet – finden dürfen.

9. Wer oder was ist schuld an den Kirchenschließungen?
Wer stellt eigentlich noch in kirchlichen und theologischen Kreisen die provozierende, aber sehr berechtigte Frage: Wer oder was ist eigentlich schuld daran, dass so viele Kirchen „überflüssig“ geworden sind? Soweit ich sehe, wird dieses Thema in dem Buch bedauerlicherweise nicht bearbeitet. Wer nach einer Antwort sucht: Man wird doch theologisch nicht im allgemeinen „die“ Säkularisierung oder „die“ Moderne dafür verantwortlich machen, dass nun so viele Kirchengebäude für die Kirchen selbst überflüssig geworden sind. Denn Tatsache ist: Beide Kirchen hatten und haben immer Jahresetats von vielen Milliarden Euro aus Kirchensteuereinnahmen. Der katholische Theologe Konstantin Manthey nennt in seinem Beitrag die Zahl von „fast zwei Millionen Kirchenangestellten“ heute (S. 125). Darf man fragen, was haben diese meist gut bezahlten Damen und Herren falsch gemacht, dass es zu einem solchen stetigen Kirchenaustritt von Millionen getaufter Christen kommen konnte und kann?

10. Die alte Dogmenwelt und die unverständlichen Gebete/Gesänge
Was würde ein sehr großes Wirtschaftsunternehmen tun, wenn es einen so miserablen „Erfolg“ erzielen würde wie die Kirchen, die Millionen Mitglieder verlieren, obwohl die finanzielle Ausstattung wirklich bestens war (und bis jetzt noch immer ist)? Aber der Rücktritt von Bischöfen oder EKD – Synodalen würde in dem Zusammenhang nicht mehr als richtiges Symbol eines „Schuldbekenntnisses“ sein. Aber die eigentliche „Schuld“ an der Misere der Kirchen ins Deutschland und Europa weist auf anderes, über das öffentlich, auch in der Theologie, kaum gesprochen wird: Es ist die nicht anders als aufgeblasen zu nennende uralte dogmatische Glaubenswelt der Kirchen; es sind die meist sehr altertümlichen Kirchen – Lieder und – Gesänge: Bezeichnenderweise haben die Katholische Bischöfe der Niederlande und Deutschlands fast all Lieder des niederländischen Theologen Huub Oosterhuis als Mess-Gesänge verboten. Diese Lieder sind aber wohl die einzigem, die ein denkender Christ heute noch singen kann.. Schuld sind auch die intellektuell kaum nachvollziehbaren Gebete und Fürbitten; die erstarrten Liturgien/Messen oder das „Trallala“ mancher Kindergottesdienste, all das hat den Abschied so vieler hundert tausend kritischer und denkender Menschen aus den Kirchen beschleunigt.
Wer hat als Teilnehmer der Messe nicht schon oft den Eindruck gehabt: Das ist doch alles immer der selbe Ritus, dieses reglementierte Auf und Ab von Hinknien, Aufstehen, Sitzen, standardisiert antworten auf standardisierte Aufforderungen und Gebete des Priesters. Und dann auch dies noch: Das Sprechen eher sinnloser Texte: Etwa vor dem Empfang der Kommunion (!) müssen die Gläubigen diese Worte sprechen: „Herr ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach“… Wo bitte ist denn „mein Dach“, unter dem ich die Kommunion nun erhalte und verzehre…. Antiquierte Redeweisen in den Messen bis heute: „Der Herr sei mit euch.“ „Und mit deinem Geiste…“ Wer sagt denn so was, muss Kirchensprache derart aus der Zeit fallen? Das ertragen die Leute einfach nicht mehr. Tausend Beispiele wären möglich, aber schon diese Hinweise zeigen: Sie haben sehr wohl mit den leeren Kirchen zu tun, mit den sich ständig leerenden Kirchen besser gesagt.
Das fehlt leider in dem Buch „Leben statt Leere“: Die ausgearbeitete selbstkritische Erkenntnis: Die Kirchen sind selbst schuld, dass sie jetzt auf ihren vielen überflüssig gewordenen Kirchengebäuden sitzen und diese dann abstoßen müssen.

11. Die fixierten Holzbänke aus den Kirchen endlich entfernen!
Ein weiterer Grund für die Leere der Kirchen, für die Abweisung kirchlicher Angeboten den alten Gotteshäusern: Diese Kirchen sind als Treffpunkte der Gemeinde schon von der Anordnung der Sitzgelegenheiten eine Katastrophe: Alle schauen nach vorn, meist auch nach oben, zum Altar, zu den unersetzlichen Priestern oder dem evangelischen Pfarrer, der manchmal noch in die Höhen der Kanzel zur 30 Minuten Predigt klettert. Und „alle“ schauen in die Höhe der Wahrheit … Noch wichtiger: Es sind diese wirklich widerlichen, fest verankerten Holzbänke, die nicht das geringste Gefühl von Kommunikation oder Wohlfühlen aufkommen lassen. Ich wage die These: Hätten die Gemeinden spätestens vor 50 Jahren die fest verankerten Holzbänke aus den Kirchen rausgeworfen und durch Stühle bzw. Sessel oder Polster oder bequeme Sofas ersetzt, Sachen also, die man auch in einen Kreis hätte stellen können zum Gottesdienst, dann hätte sich Kirche als sympathischer, einladender freundlicher Raum einer Gemeinde, einer „großen Familie“, bewiesen. Warum soll man das für die Menschen oft ungemütliche, weil kritisch – störende Evangelium Jesu von Nazareth nicht auf gemütlichen Stühlen verstehen können?

12. Die Kirchenführung zerstört die Idee „Kirchengemeinde in der Nachbarschaft“
Wenn sich die Kirchen jetzt und in naher Zukunft von vielen Kirchengebäuden trennen müssen, dann wird für die noch Interessierten – und das sind oft ältere Menschen – die bequeme Erreichbarkeit von Kirchen und Gemeindezentren fast unmöglich gemacht, es sei denn man nimmt lange Busfahrten in Kauf, um noch eine Kirche zu finden, in der die Messe gefeiert wird. Die gute und bequeme Erreichbarkeit von Kirchen und Gemeindezentren ist HEUTE um so dringender, wenn man an die vielfach dokumentierte Einsamkeit sehr vieler Menschen gerade in den großen Städten denkt: Wenn es denn offene, d.h.freundliche, wenig dogmatische Gemeinden gäbe, dann wären diese Gemeinden von hohem Wert gerade für „das seelisch wie politisch Beste einer Stadt“, nämlich die Pflege des Miteinanders. Aber alles wird gerade jetzt von den Kirchen selbst zerstört: Im Erzbistum Berlin etwa gilt das Konzept mit dem höchst fragwürdigen Motto: „Wo der Glaube Raum gewinnt“: Das bedeutet in Wahrheit: „Liebe (ältere, einsame) Gläubige gewöhnt euch an große weite Räume, wenn ihr noch eine katholische Kirche oder ein Gemeindehaus sucht. Kirchliche Nachbarschaft ist ab sofort ausgeschlossen.“
So sehr man auch in umgewandelten Kirchen und deren Bücherstuben oder Cafés oder Kleiderkammern über den Sinn des Lebens beiläufig reden kann: Eigentlich sollten Kirchengemeinden Orte der qualifizierten, freien und offenen Sinnsuche sein, der Frage nach dem Sinn des Lebens, Liebens und Arbeitens, der ungerechten Gesellschaft und der Klimakatastrophe, der Frage nach dem Sinn von Leiden, Sterben und Tod. Sicher haben die Kirchengemeinden gar nicht mehr dieses qualifizierte Person für Gespräche über diese auch therapeutischen Fragen… , insofern ist wohl realistisch, wenn die Kirchen mangels qualifizierten Personals ihre Kirchen verkaufen und „umwandeln“.

13.
Obwohl die vielfältigen Formen der Umwandlung von „überflüssigen“ Kirchen beide großen Konfessionen betrifft, beziehen sich in dem Buch, soweit ich sehe, nur drei katholische AutorInnen auf entsprechende Erfahrungen und Einsichten ihrer Kirche. Dabei ist klar: An einer ökumenischen Zusammenarbeit bei Verkauf und Umwandlung der Kirchen via Internet oder Ebay mangelt es immer noch, berichtete kürzlich (September 2025) das genannte „Plus- Minus“ Magazin der ARD.

14. Erzbischöfe in Berlin setzen auf teure Repräsentativ -Kirchen.
Wir wollen hier nur auf den Beitrag des katholischen Theologen und Kunsthistorikers Konstantin Manthey, Berlin, hinweisen. Er spricht erstaunlich kritisch über das Verhalten der Kirchen, also auch der katholischen Kirche, zu unserem Thema, er spricht von „Schockstarre“ und von der Obsession der „Besitzstandswahrung“.
Sehr wichtig ist der Hinweis Mantheys: Es werden in Berlin keine neuen Kirchen oder wenigstens kleine Gemeindezentren gebaut in Berlins 23 (sic) neuen Stadtquartieren mit vielen tausend Bewohnern: „Nirgendwo ist dort bisher ein kirchlicher Ort vorgesehen, ein christlicher Raum für Zusammensein und ähnliches…“ (S. 127).

15.
Ist wirklich kein Geld da, um wenigstens einige kleine religiöse oder theologische Salons anzumieten als Treffpunkte für religiös Interessierte, die es ja sicher auch in den neuen Stadtquartieren geben wird?
Tatsache ist: Geld haben die Kirchen heute noch sehr reichlich, das lässt sich etwa am Beispiel des Erzbistums Berlin: Das wird allerdings von Konstantin Manthey nicht dokumentiert: Die Rede muss also sein über die vielen Millionen Euro, die für die – eigentlich unnötige – Total- Renovierung der St. Hedwigskathedrale ausgegeben wurden: „Mit 44,2 Millionen Euro wurden die 2016 prognostizierten Gesamtkosten für den Umbau der Bischofskirche nur um rund 4 Millionen Euro überschritten“, heißt es im Erzbistum. Konkret: Zwölf Millionen Euro kamen vom Bund und acht Millionen Euro vom Land Berlin für den Umbau der Kathedrale, 28 Millionen Euro muss also die Kirche selbst bezahlen. Und zum Neubau des Bischofshauses und eines Kirchenzentrums, direkt neben der Kathedrale, „Bernhard Lichtenberg Haus“ genannt: „Hier waren zu Beginn 17 Millionen Euro veranschlagt worden, inzwischen rechnet das Erzbistum jedoch mit nahezu verdoppelten Kosten von 33,8 Millionen Euro – für die das Hauptstadtbistum zudem allein aufkommen muss.“ Quelle: LINK.

Schon 2024 hatte der “Tagesspiegel”  nachgewiesen: In Berlin ist der Bodenbesitz aller religiösen Gemeinschaften laut Liegenschaftsplan  mit 1.206 Hektar anzugeben. Das sind 1,3% der Stadtfläche, der evangelischen und katholischen Kirche gehört der größte Teil der Liegenschaften, wie der “Tagesspiegel” erneut am 1.10.2025, Seite 4 im Berlin – Heft berichtet. 1.206 Hektar sind etwa 12 Quadratkilometer im Besitz der Religionen, der Kirchen. Der Vatikan-Staaat hat 0,44 Quadratkilometer Fläche, der Berliner Bezirk Schöneberg 12,2 Quadtratkilometer.

16. In den Wohnbezirken verschwinden katholische Gemeinden
Die angeblich arme katholische Kirche Berlin setzt also auf Repräsentativ-Bauten in der Innenstadt, interessant für Touristen vor allem, die „Unter den Linden“ flankieren oder zum Humboldt – Forum eilen… Um an das nötige Geld zu kommen, werden von den Erzbischöfen Berlins Gemeindezentren und Kirchen in den dicht bewohnten Bezirken aufgegeben oder verkauft, wie etwa nun die Gemeinde mit großer Kirche im „Katharinenstft” (mit einem Kloster der Herz – Jesu – Priester) in Prenzlauer Berg.Über den Verkauf des Katharinenstiftes, auf einem „Filetgrundstück“, hat der Journalist Patrick Pohl am 14.7.2025 auf seiner website berichtet. Oder: Die St. Albertus Magnus Kirche im bevölkerungsreichen Wilmersdorf: „Die 61 Jahre alte St. Albertus-Magnus Kirche in Wilmersdorf/Halensee wurde schon im November 2023 geschlossen, von einer neuen Nutzung ist noch immer nichts zu sehen, Quelle: „Tagesspiegel“ am 8.9.2025. Alsbald wird wohl die St. Kamillus Kirche in Charlottenburg mit einem integrierten „Altenheim“ verkauft.
Mit anderen Worten: Die Kirchenleitung nimmt den Menschen die nahe Erreichbarkeit ihrer altvertrauten Gotteshäuser und Gemeindezentren zugunsten von Millionen teuren Renovierungen und Neubauten von Repräsentativgebäuden. Die Kirche will offenbar noch groß und mächtig und modern nach außen erscheinen…
Wie viele Kirchen ließen Berlins katholische Bischöfe schon abreißen oder verkaufen? Wir nennen nur: St. Raphael in Gatow, Bezirk Spandau), St. Agnes in Kreuzberg., St. Johannes Capistran Tempelhof. Erstaunlich, dass der in der Katholischen Akademie Berlin angestellte Theologe Konstantin Manthey von all den genannten Zusammenhängen keine Silbe verliert.

Auch im Bistum Dresden – Meißen setzen die Kirchenoberen auf repräsentative Bauten: Ca. 19.000 Katholiken sind zwischen 2014 und 2024 dort aus der Kirche ausgetreten, die Zahl der Katholiken im Bistum Sachsens beträgt noch 128.000. Trotzdem die Kirchenführung baut für 49 Millionen Euro einen riesigen kirchlichen Verwaltungsneubau in Dresden, Eröffnung 2025. LINK 

Nebenbei: Es gibt inzwischen bei wikipedia einen eigenen Beitrag über die vielen „profanierten Kirchen“ im Erzbistum Berlin: LINK

17. Wann werden in Deutschland Kirchen in Moscheen umgewandelt?
Eine eigentlich dringende Frage wird überhaupt nicht öffentlich erörtert, weder in dem genannten Buch noch in anderen Publikationen oder etwa in Akademieveranstaltungen. Die Frage ist: Warum werden leerstehende Kirchen nicht muslimischen Vereinen zum Umbau als Moschee angeboten? Man könnte auch denken. Warum nicht auch jüdischen Gemeinden zum Umbau in eine Synagoge. Aber für Neubauten von Synagogen ist ja gut gesorgt.
Warum also keine zu Moscheen umgewandelten Kirchen? Man muss als Antwort nicht lange spekulieren: Weil Muslime in Deutschland immer noch unter einem ungerechten Generalverdacht des Radikalen stehen. Weil „der Islam nicht zu Deutschland gehört”, wie einzelne CSU Politiker (wie Horst Seehofer, 2018 und zuvor schon der CDU Ministerpräsident Sachsens Stanislaw Tillich schon im Januar 2015 in einem Interview mit „Die Welt“) sagten: LINK https://religionsphilosophischer-salon.de/6160_der-islam-gehoert-nicht-zu-deutschland-wenn-das-logische-denken-versagt_denkbar
Diese pauschalen und dummen Sprüche „Der Islam gehört nicht zu Europa“ war und ist wohl die beste Werbung einiger CDU CSU Politiker für die AFD…

18. In Amsterdam: Von der St. Ignatius Kirche zur Moschee
Ich kenne nur ein Beispiel dafür, dass tatsächlich einmal eine katholische Kirche in eine Moschee verwandelt wurde. Das hat sich im toleranten Amsterdam ereignet: 1971 haben die Jesuiten an der Rozengracht 150, ganz in der Nähe des Anne – Frank – Hauses, ihre St. Ignatiuskirche aufgegeben müssen: Dann geschah ein interessantes Intermezzo: Die Kirche wurde kurzfristig in einen Teppich-Laden umgewandelt und erst danach, im Jahr 1981, von der Islamischen Stiftung Fatih (Islamitische Stichting Nederland Fatih Amsterdam) erworben und als Moschee eingerichtet. Ein unmittelbarer Übergang von Kirche zu Moschee war selbst in Holland wohl „zu viel des Guten“. Dabei reden doch viele christliche Theologen eigentlich ständig von der Gemeinschaft der drei monotheistischen Religionen, aber man belässt es lieber im unverbindlichen akademischen Milieu. Seit 1981 trägt die auch von außen noch wahrnehmbar ehemalige Kirche also offiziell den Namen „Fatih-Moschee“. Die Leistung der Moschee dort hat mir selbstverständlich Filmaufnahmen für meine Dokumentation fürs Erste über die Religionen in Amsterdam gestattet. LINK

19. Kirchen werden den Buddhisten oder Humanisten überlassen.
Wenn es den Kirchen ernst ist mit einem umfassenden ökumenischen und interreligiösen Dialog: Warum bieten sie ihre überflüssigen Gotteshäuser nicht auch Buddhisten an, warum nicht auch dem „Humanistischen Verband“, der ja bekanntlich gute Sozialarbeit leistet? Aber schon diese unsere Frage werden „kirchenleitende Herrschaften“ als utopisch zurückweisen. Nebenbei: Wie viele Kirchen wurden an fundamentalistische „freie charismatische Gemeinden“ verkauft? Diese sind bekanntlich in ihrer Lehre gefährlich, “nur” für die seelische Gesundheit der “Gläubigen”??? Man schaue sich heute diese machtvollen, z. T gewalttätigen fundamentalistisch – evangelikalen Kreise in den USA des Mister Trump an….

Zur weiteren Information siehe auch die website Aktion Kirchenabriss: https://www.moderne-regional.de/listing-category/hashtag-kirchenabriss/

Das genannte Buch „Leben statt Leere. Überlegungen und Anregungen zum Umgang mit unseren Kirchen“ wurde u.a von Klaus -Martin Bresgott und Johann Hinrich Claussen herausgegeben. Das Buch ist über Kulturbüro der EKD zu beziehen: Kulturbüro des Rates der EKD, Auguststraße 80, D-10117 Berlin, https://ekd-kultur.de/. kultur@ekd.de

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de

 

 

Ich habe nur „meinen“ Gott …

Der Soziologe Ulrich Beck lässt sich von Etty Hillesum inspirieren
Ein Hinweis von Christian Modehn am 24.9.2025

1.
Ihre „eigene Religion“ haben Menschen sogar inmitten der Säkularisierung der westlichen Welt entwickelt. Das Bekenntnis heißt: „Ich habe mir meine eigene Religion gestaltet (manche sagen `gebastelt).“ Oder: „Ich lebe meine Spiritualität, meine Religiosität, also eine, die zu mir passt und die mir gehört.“

2.
Die „eigene Religion“ wurde in gewisser Weise auch einst, in Zeiten intensiv erscheinender Kirchenverbundenheit gelebt – inmitten der fest strukturierten Konfessionen. Aber dabei wählten die Frommen einzelne Aspekte INNERHALB dieser vorgegeben Konfession und ihrer Traditionen bzw. Dogmen aus: Man verehrte etwa heftig die „Gottesmutter Maria“ oder war von der Erlösung durch das Kreuz Christi bis zu Tränen gerührt begeistert. Aber an dem offiziell vorgegebenen dogmatischen Rahmen rüttelten diese Frommen nach außen hin nicht, das taten nur wenige Häretiker und Schismatiker.

3.
Jetzt geht es um etwas viel Radikaleres: Es geht um die religionsphilosophisch interessante Tatsache: Menschen sagen explizit:Wir schaffen uns selbst unsere eigene Religion, den eigenen Glauben, den je-eigenen, „meinen“ Gott.

4.
Auf dieses Thema machte im Jahr 2008 auch der Soziologe Ulrich Beck aufmerksam. Ein spezielles Interesse an der inneren Welt des Christentums war in seinem umfassenden Werk nie deutlich hervorgetreten. Nun aber versammelte er Aufsätze unter dem Titel “Der eigene Gott. Friedensfähigkeit und Gewaltpotential der Religionen“, erschienen ist das Buch im „Verlag der Weltreligionen“. Und das erste Kapitel dieses komplexen religionssoziologischen Buches findet unser besonderes religionsphilosophisches Interesse: Dieses Kapitel hat den Titel: „Das Tagebuch des `eigenen Gottes`: Etty Hillesum, eine unsoziologische (sic) Einleitung.“

5.
Es ist also erstaunlich, dass sich ein renommierter Soziologe, der sich selbst „ungläubig“ nennt, auf ein spirituelles Tagebuch einlässt. In ihrem „Tagebuch“ fasst die junge niederländische Jüdin vom März 1941 bis September 1943 ihr Leben selbst in Worte, sie will Klarheit für sich selbst und über sich finden und dabei spricht sie unmittelbar, ohne „Filter“, von ihrer Hoffnung, ihrem Glauben inmitten der Verfolgung durch die Nazis. Und das ist das Bemerkenswerte: Sie spricht ausdrücklich, wie sie schreibt, von dem „Allertiefsten, das ich der Einfachheit halber als Gott bezeichne“.

6.
Nur ganz kurz: Etty Hillesum wurde am 15.1.1914 in Middelburg , Niederlande, geboren, sie war schon als junges Mädchen, in einer liberalen jüdischen Familie geboren, literarisch interessiert; von einem Psychologen wurde sie angeregt, Tagebuch zu schreiben. Sie spricht ihr Leben aus während der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen, die Nazis, und sie begann im März 1941, Tagebuch – Einträge zu verfassen. Seit dem 6.6.1943 wurde sie im Nazi – Lager Westerbork festgehalten, am 7.9.1943 wurde sie mit ihren Eltern nach Auschwitz deportiert; am 30. November wurde sie dort (im Alter von 29 Jahren) von Nazis und ihren Helfern ermordet. Sie wusste, dass ihre Tagebücher von bleibendem Wert sind und überließ ihre Texte noch rechtzeitig einer Freundin in den Niederlanden.

7.
Der weltweit viel beachtete Soziologe Prof. Ulrich Beck (1944-2015) ist über die Tagebuchnotizen Etty Hillesums nicht nur höchst erstaunt. Man möchte sagen, er ist von ihnen tief berührt, wendet er sich doch wie in einem Brief an die junge Frau mit der Anrede „Liebe Etty“ (S. 26). Was findet Beck so wichtig? Inmitten der Verfolgung und Ermordung der Juden ist Etty Hillesum überzeugt: Gott ist in ihrer eigenen Seele sozusagen als das Beste und Wertvollste anwesend. Dieses Beste und Wertvollste wird dabei als ihr eigener Gott verstanden und hoch geschätzt; es ist nicht der Gott im fernen Himmel, nicht der allmächtige Herr der Schöpfung. Betty Hillesum spricht auch zu ihrem inneren Gott, zu einer inneren Präsenz in ihrem Leben. Und dabei weiß sie etwas Überraschendes: So wie sie als einzelner Mensch hilflos ist angesichts der Vernichtung der Juden, so glaubt sie auch: Ihr eigener Gott ist ebenso hilflos. Aber Etty Hillesum braucht dieses innere Gegenüber, diesen menschlichen Gott, nicht etwa nur, um ins philosophische Nachdenken zu kommen. Sie braucht ihren Gott, weil sie weiß: Gott gehört zu ihr wie eine Art Gesprächspartner. „Aus dem Selbstgespräch Hillesums entwickelte sich ein Gespräch mit einem eigenen Gott. Sie erhoffte sich keine Rettung. Sie sah ihren Gott als hilflos. Sie war es, die Gott helfen musste, damit er seine Stimme in der Katastrophe des Holocaust nicht verliert“, sagt Ulrich Beck in einem Interview (von Sven Hillenkamp) mit dem „Tagesspiegel“ vom 20.7.2008. Und in dem genanten Buch schreibt Beck: „Es ist der Gott, der in der endzeitlichen Katastrophe ohnmächtig und heimatlos ist. Der Gott, der die Menschen braucht, um nicht unterzugehen… Der hilflose Mensch muss den hilflosen Gott in sich bewahren, retten.“ Etty Hillesums klammert sich förmlich an die Erfahrung: Dieser mein Gott ist in mir, er gehört zu mir, er ist das `Produkt` meiner Seele. Aber dieser „mein Gott“ darf nicht untergehen, nicht verschwinden angesichts von Verfolgung und Mord. Ulrich Beck: „Etty Hilversum findet Trost und Würde (nicht Sicherheit!) in der Intimität des eigenen, hilflosen Gottes, in der Gott selbst zum Fragenden wird, der keine Antwort weiß.“(S. 23).

8.
Ulrich Beck fasst die Erfahrung und die Erkenntnis Etty Hillesums zusammen: „Liebe Etty… Sie haben Gott in ihre eigenen Hände genommen… Denn vorher wurde man in eine Amtskirche hineingeboren… sie sind auf die Idee verfallen, etwas mehr erlangen zu wollen, über die Fügsamkeit predigende Kollektivreligiosität hinaus…“(S. 25).

9.
Der Soziologe Ulrich Beck hat sich
auf Etty Hillesums Tagebücher durchaus voller Sympathie eingelassen, sie waren wohl für ihn auch ein Erkenntnisgewinn… Denn er deutet die zentrale Aussage Hillesums als deutlichen Hinweis auf die religiöse Situation heute: Faktisch orientieren sich in Europa und Amerika nicht mehr gehorsam an den vorgegebenen Dogmen und Lehren. Sie (er)finden ihre eigene Religiosität und damit (er)finden sie auch ihren „eigenen“ Gott. „Mir ging es bei Etty Hillesum darum zu zeigen, dass der eigene Gott nicht als Esoterik abgetan, sondern als eine neue historische Form der Religiosität begriffen werden muss. Ich will die Individualisierung Gottes als soziologisches Phänomen ernst nehmen“, so im genannten Interview mit dem „Tagesspiegel“.

10.
Aber was bedeutet die „Individualisierung Gottes“ für theologische und philosophische Überlegungen?
Theologisch und damit auf die Kirchen bezogen nur der knappe Hinweis: Faktisch leben heute sogar kirchengebundene Christen ihre eigene Religiosität und entdecken auch in ihrer Seele ihren je – eigenen Gott. Man untersuche etwa die Spiritualität von Frauen, die noch mit der katholischen Kirche verbunden sind…Viele andere geben hingegen – dogmatisch befreit – ihre konfessionelle Bindung auf, aber sie werden nicht „Atheisten“, sondern leben ihren eigenen Gott. Natürlich gibt es auch Christen, die es mit ihren traditionellen dogmatischen Glaubensbekenntnissen und der Kirchen-Moral noch ernst meinen.

11.
Für die Christen, die ihren eigenen Gott entdecken, stellt sich theologisch und religionsphilosophisch die Frage, die dann doch ins Normative führt: Ist „mein“ Gott eine Wirklichkeit, die wichtigen Charakteristika Gottes gerecht wird, wenn denn der Begriff und irgendwie noch klassisch überlieferte Titel „Gott“ noch einen Sinn macht. Über die wahrhaftig ausgesprochene Gotteserfahrung Etty Hillesums soll hier nicht geurteilt werden. Nur so viel: Ihr “eigener Gott” bedeutet ihr so viel, dass sie auf keinen Fall das Verschwinden Gottes inmitten des Nazi – Mordens zulassen will: Es ist eben Gott und nicht nur ihr eigener Gott, den sie nicht sterbend erleben möchte.
Um bei der Frage nach einem normativen Kriterium zu bleiben: Andere religiöse Menschen werden sich – normativ – fragen: Ist mein Gott eine Wirklichkeit, die mich zu einem umfassenden humanen Leben wirklich befreit, mich zur Selbst -Liebe wie zur Liebe der anderen, auch der Nächsten, ermuntert, wie auch zum Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden. Oder ist dieser „mein“ Gott doch nur eine Art ideologische Bestätigung meines üblichen Lebensmodells, das Egoismus und Nationalismus und Krieg als oberste „Werte“ wie Götter hochschätzt.

12.
Theologisch und religionsphilosophisch wird man wohl auf die Frage nach dem Normativen in der Auseinandersetzung mit „meinem“ individuellen Glauben nicht und niemals verzichten können. Und die Frage bleibt, in welcher Form unterschiedliche Menschen unterschiedlichen Glaubens (an den je „meinen” Gott) eine Gemeinschaft formen können.
Aber die kritischen Normen für eine über das Subjektive hinausgehende Beurteilung der vielen je – meinigen Religionen können niemals den Religionen und Kirchen selbst entstammen. Diese kritischen Normen können nur in allgemein gültigen philosophischen Erkenntnissen begründet sein, man denke etwa an den Kategorischen Imperativ von Immanuel Kant.

13.
Das führt weiter: Menschen sind mit dem förmlich absolut im geistigen Leben präsenten „Kategorischen Imperativ“ – sozusagen unauslöschlich – „ausgestattet“? Weist der gelebte „kategorische Imperativ“ in seiner universellen Bedeutung nicht in die Richtung einer geistigen, aber unkirchlichen, deswegen eher unbeholfen zu nennenden „säkularen Heiligkeit“? Wobei Heiligkeit nicht mit dem klassischen Gottesbegriff verbunden ist, sondern einfach die Unantastbarkeit eines jeden Menschen meint, seine Würde, die dann zur Forderung der wesentlichen Gleichheit aller Menschen führt. Der Soziologe UlrichBeck hat sich in seinem genannten Interview mit dem Tagesspiegel leider zu kurz, aber deutlich geäußert: „Die Menschenrechte heiligen das Individuum. In diesem Sinne stellt Amnesty International eine moderen Kirche des eigenen Gottes dar.“ Ist also dereigene Gott, den Etty Hillesum in ihrem Leiden als „meinen“ Gott in ihrer Seele entdeckte, vielleicht auch inhaltlich zu beschreiben mit den auch heute überall nur verbal behaupteten, oft niedergetretenen und mißachteten, aber trotzdem nach wie vor, „an sich“, universell geltenden Menschenrechten?

14.
Eine philosophische Reflexion zum Thema „mein Gott“ müsste sich mit dem Thema „Gott – und die Götter – durch den Menschen geschaffen“ befassen. Damit wird etwa auf Ludwig Feuerbachs “Wesen des Christentum”  verwiesen. Wir haben in einem früheren Beitrag in Auseinandersetzung mit Feuerbach zu zeigen versucht: Wenn der Mensch selbstverständlich seinen Gott schafft, dann ist dabei immer auch Gott selbst tätig dabei: In der Gestalt des Geistes im Menschen, eines Geistes, den man auch göttlich nennen kann: Der Mensch wird in einer metaphysisch orientierten Philosophie als Geschöpf eines Gottes verstanden. Und dieser Gott hat seine Schöpfung, die Welt, und damit die Menschen, mit seinem schöpferischen Geist ausgestattet. Geist ist für die klassische Metaphysik etwas Göttliches. Darum kann gelten: Die Menschen, geistvoll und kreativ, schaffen sich ihren Gott und ihre Götter: Und daran ist Gott selbst – durch seinen Geist – beteiligt.

15.
Wirklich „nur“ von Menschen gemachte Religion und Götter gibt es also nicht. Und den Menschen bleibt auch heute die dringende – auch politische – Aufgabe, einen Gott der Befreiung und Humanität von den Göttern und Götzen des Materialismus, Egoismus, Nationalismus zu unterscheiden.

In unserer Welt heute wimmelt es bekanntlich von Göttern und Götzen. Trump hat seinen Gott, aber der ist sein Götze, der ihm ständig einen guten „Deal“ zu eigenen Milliardärs – Gunsten diktiert. Putin hat seinen Götzen, den Wahn des russischen Nationalismus in russisch-orthodoxem Gewand, Neoliberale haben ihre Götzen, die ihnen ständig Wachstum um jeden Preis diktieren und dabei die universelle Gerechtigkeit ignorieren. Kann Sport, kann Fußball, zum Götzen werden? Über diese „meine“ Götter und „meine“ Götzen des Alltags wäre endlich öffentlich – etwa in so genannten Talk-Shows – zu sprechen. Wer kann sich erinnern, dass Religionen und Kirchen in den letzten drei Jahren Themen einer Talkshow im Ersten oder im ZDF waren? Diese Themen werden wohl bewusst übersehen zugunsten immer derselben Sachen mit denselben Gästen….Und die katholische Kirche – sie könnte öffentlich über ihren spezifischen Götzen debattieren, um diesen Götzen dann bitte abzuschaffen: Dieser Götze ist die Jahrhunderte alte Klerus-Herrschaft, die der Klerus – fundamentalistisch und falsch – von Jesus von Nazareth herzuleiten meint. Natürlich ist gerade auch diese Götzenkritik nicht mehr als ein absolut “frommer Wunsch“…

16.
Wo also ist Gott, „mein“ Gott, der diesen Namen Gott wirklich verdient?

Weiteres zur Auseinandersetzung mit Ludwig Feuerbach „Wesen des Christentums“: LINK. https://religionsphilosophischer-salon.de/15229_ludwig-feuerbach-vor-150-jahren-gestorben-der-mensch-erschafft-sich-gott_religionskritik

Literaturhinweise:
Die Tagebücher Etty Hillesums: „Das denkende Herz“, Rowohlt Verlag.
Sehr ausführlich: „Ich will die Chronistin dieser Zeit sein“. Sämtliche Tagebücher und Briefe. C.H. Beck Verlag.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

 

Papst Leo XIV. – neueste Entscheidungen des Allein-Entscheiders

Die jüngsten Äußerungen des Papstes sind alles andere als „zukunftsweisend“
Ein Hinweis von Christian Modehn am 19.9.2025

Wir beginnen die konservativen Stellungnahmen Papst Leo XIV. zu dokumentieren.

Am 23.9.2025:

Heute also beginnen wir mit des Papstes Plädoyer und Verständnis für die immer noch weltweit üblichen Teufelsaustreibungen, Exorzismen genannt,  anläßlich eines Treffens von EXORZISTEN aus aller Welt kürzlich in Rom… Dass “das Böse” vor allem auch aus dem Klerus (sexueller Missbrauch etc.) ausgetrieben werden müsste, wird vom Papst nicht gesagt… LINK:

Am 24.9.2025 :

Papst Leo XIV. ruft die Katholiken auf, im Okober täglich den Rosenkranz zu beten. Maria als Mittlerin an Gottes Thron soll gleichsam Gott bestürmen, für Frieden zu sorgen. LINK    Welcher Frieden soll denn erbetet werden? Was soll Gott bloß tun, wenn die Russisch – Orthodoxen auch ihren Gott um Frieden in ihrem Sinn bitten? Hintergrund für diese spirituelle “Friedensinitiative” des Papstes ist die tradionelle Gottesvorstellung, die auch Papst Leo teilt: Gott im Himmel lässt sich durch Maria im Himmel bewegen, als Gott – Vater Frieden auf Erden zu schaffen…Oder soll das Rosenkranzgebet doch nur eine Art seelischer Beruhigung sein? .Wir haben auf den Missbrauch von Marienliedern im Krieg hingewiesen: LINK.

Am 26.9.2025 :

Im kürzlich erschienenen Interview-Buch mit Ann Allen (USA) (auf Spanisch erschienen: “Leo XIV.: Ciudadano del mundo, misionero del siglo XXI”) sagt Papst Leo XIV., wie KNA berichtet: Es entspreche nicht dem Auftrag der Kirche und dem, was die Welt von ihr erwarte, sich ausschließlich auf das Thema sexualisierter Gewalt zu konzentrieren. Außerdem habe der Papst davor gewarnt, sich vom Missbrauchsskandal “vollständig in Beschlag nehmen zu lassen“.

Am 25. 9.2025 kritisierte der Mainzer Bischof Kohlgraf auf einer Podiumsveranstaltung im Mainzer Landtag diese Aussage des Papstes. „Der Mainzer Bischof Kohlgraf sagte in einem vorab verbreiteten Redemanuskript, einige Menschen hätten den Papst so verstanden, als wolle er die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt relativieren. `Auch ich kann an die Aussagen des Papstes zum Auftrag der Kirche und des Evangeliums zumindest ein Fragezeichen setzen`, erklärte der Bischof. “Sexualisierte Gewalt ist ein Verbrechen am Menschen und ein Verrat am Evangelium.” Denn der Auftrag des Evangeliums sei es, die Menschen zu stärken und sie entsprechend ihrer Würde zu behandeln: “Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns im Sinne dieses Auftrags nicht zurücklehnen werden und dass es auch weiterhin unser Fokus sein wird, Verantwortung für das Versagen der Kirche auf verschiedenen Ebenen zu übernehmen.”
Die Verantwortung dürfe nicht enden, und der Weg zu einem Mentalitäts- und Haltungswechsel im System Kirche sei nicht abgeschlossen, so Kohlgraf laut Manuskript weiter. Leitend müsse dabei immer die Perspektive der Betroffenen sein. Dabei sei weiter zu schauen, wo es “blinde Flecken” gebe: “Wo wird vielleicht immer noch verharmlost, geschwiegen oder vertuscht? Dabei darf es keine Rolle spielen, ob dieser Blick unbequem ist oder fest Etabliertes hinterfragt.”
LINK.   Sogar katholisch.de berichtete über die Papst – Kritik durch Bischof Kohlgraf. LINK

Am 27.9.2025: Nun geht es um die Unfehlbarkeit des Papstes!

Jetzt wird es heftig: Papst Leo XIV. verteidigt am 27.9, erst knapp 4 Monate im Amt, die Unfehlbarkeit des Papstes. Aber auf eine sehr ungewohnte Weise: Er erklärt zunächst alle Katholiken, das ganze Volk Gottes, für unfehlbar. Aber weil für ihn diese 1,4 Milliarden Katholiken nicht mit einer einzigen Stimme sprechen können, kann diese eine wahre Stimme nur dem Papst gehören. Er ist dann sozusagen stellvertretend für alle  Kathioliken (die angeblich alle dasselbe Glauben) unfehlbar.
PS: Im Kommunismus sagte man: Der Parteiführer weiß, was die Masse der Proletarier will, er tut, was die Masse der Parteimitglieder will…

Also noch einmal, für alle, die diese sehr gewagte Äußerung des Papstes schnell als banal übersehen wollen: “Die „Unfehlbarkeit des Gottesvolkes in Glaubensdingen“ finde ihren Ausdruck in der Unfehlbarkeit des Papstes, erklärte der Papst Heilig-Jahr-Pilgern bei der Generalaudienz an diesem Samstag (27.9.2025) in Rom…. Und jetzt wird es fast komisch: Diese Unfehlbarkeit des Volkes Gottes (gemeint ist nur die katholische Kirche) sei, wo wörtlich, so etwas wie ein `Sechster Sinn`, aber gerade den sechsten Sinn hätten vor allem die einfachen, gemeint sind die ungebildeten Leute: „Gelehrte Menschen hören meist nicht auf ihr Gespür (= sechster Sinn), weil sie glauben, ohnehin schon alles zu wissen“, sagte Leo XIV. wörtlich weiter.
Also bitte: Einfach dumm bleiben, auch theologisch dumm, dann kann man dieser verworrenen Rede folgen. Die typische Verachtung des alten Augustin für die Vernunft klingt da sehr deutlich an… (Die Vernunft wurde bekanntlich für Augustin durch die Erbsünde verdorben)

Nebenbei: Papst Leo XIV. schwadronierte am 27.9. erneut, wie bei ihm immer üblich, mangels Kenntnis moderner Theologen, von den Zeiten seines „Vaters Augustinus“ im Altertum, vor allem über dessen großes Vorbild, den heiligen Ambrosius. LINK

Bitte beachten Sie auf dem Foto, siehe den genannten LINK,  die nicht gerade unbescheidene Sitz – Haltung Papst Leos auf seinem Thron bei Verkündigung dieser seiner Weisheit zur eigenen Unfehlbarkeit. Verkündet Leo XIV. bald ein neues Dogma “ex cathera”?

Inzwischen wurden 100 Sprüche von Leo XIV. veröffentlicht und sehr treffend als “mittelmäßig” bewertet. Zum Kommentar dazu: Fußnote 1……..

Inzwischen haben (pensionierte) katholische Theologieprofessoren den Mut, Papst Leo XIV. und seinen theologischen Kurs öffentlich heftig, aber treffend zu kritisieren; komischerweise weisen sie nicht auf die extreme Augustinus-Bindung und ständige Augustinus-Zitiererei durch den Papst  hin; ist der “Religionsphilosophische Salon Berlin” der einzige, der das tut? Siehe trotzdem die Stellungnahme von Prof.em. Hans-Joachim Sander, Salzburg, vom 29.9.2025, Fußnote 2.

Am 8. Okober 2025: Selbst katholische Medien, von den Bischöfen abhängig, kritisieren die schwache, ängstliche Haltung Papst Leos gegenüber dem Regime von Donald Trump. Der US-Amerikaner Papst Leo XIV. aus Chicago habe bisher nicht grundlegend und deutlich und scharf die unsägliche Politik Trumps kritisiert, schreibt  kath.de am 8.10.2027:  “Umso bedrückender ist das Verhalten der katholischen Kirche. Von den US-Bischöfen kam bislang kaum öffentlicher Widerspruch gegen diese Entwicklung (hin zur Diktatur in den USA) , und auch aus dem Vatikan hört man nur verhaltene Töne… Zwar habe Papst Leo in allgemeinen Wort die so unmenschliche Behandlung von Einwanderern in den USA kritisiert.. .Aber:  “Direkte Kritik an der Regierung seines Heimatlandes war von ihm bislang  nicht zu hören…Es reicht nicht, allgemeine Appelle zur Nächstenliebe zu wiederholen.”  Quelle: LINK 

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1.
Eigentlich gibt es in dieser verrückten Welt(politik) sehr viel dringendere Themen, als sich mit dem christlichen „Allein-Entscheider“, dem Papst, zu befassen. Aber weil Leo XIV. nun einmal in den vergangenen Tagen des Septembers gleich dreimal hintereinander seine sehr konservative Theologie öffentlich dokumentiert hat, dieser Hinweis. Er könnte allen, die noch der Idee eines progressiven Leo XIV. anhangen, doch helfen, auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren und die eigene Lebenszeit besser nicht mit illusorischem Hoffen angesichts des Papsttums und des Papstes etc. zu verbringen,  zu vergeuden, hätte ich fast gesagt.

Papst Leo passt sich bestens ein in die herrschenden Mentalitäten der konservativen Wende weltweit.

In seinem ersten Interview (Buch) sagte Papst Leo gegen Ende des übermittelten Ausschnittes von kath.de: “Wenn wir uns viele Länder auf der Welt heute ansehen, ist Demokratie nicht unbedingt die perfekte Lösung für alles.”, behauptet Leo XIV. Er wehrte kurz zuvor die Vorstellung ab, auch für die katholische Kirche sei Demokratie etwas Gutes. Das ist altbekannter klerikaler Machtanspruch. Aber dieser hier schwarz markierte Satz : “Wenn wir uns viele Länder auf der Welt heute ansehen, ist Demokratie nicht unbedingt die perfekte Lösung für alles” ist in dieser Allgemeinheit schon sehr sehr verstörend, man könnte meinen, der US Amerikaner Robert Prevost/Leo XIV. verstehe etwa die Zerstörung der Demokratie durch Trump doch als eine annehmbare “Lösung”?  LINK

Wenn Demokratie nicht die “perfekte Lösung” ist, dann etwa die Autokratie, die Diktatur, die Ein-Mann-Herrschaft oder was? Welchen Unsinn redet da ein Papst. Demokraten haben nie behauptet, die “perfekte Lösung” zu haben, aber eine bessere, weil stets reformierbare Regierungsform gibt es nicht. Demokratie muss ein Autokrat, und das ist ein Papst, natürlich abwehren. Die katholische Kirche ist ja stolz darauf, keine Demokratie zu sein. Die Äußerung Leo XIV. “Demokratie ist nicht unbedingt die beste Staatsform” muss eine Schande genannt werden. Einen solchen Satz hätten auch die Päpste Gregor XVI., Pius IX. usw. sagen können, also Päpste des 19. Jahrhunderts.

Uns ist natürlich deutlich: Papst Leo spricht angesichts seiner Entscheidungen immer auch von “Beratungen”. Dabei weiß jeder: Beratungen und Diskussionen, synodale Beratungen manchmal genannt, gibt es in der katholischen Kirche, sie werden als Ausdruck “katholischer Moderne” gelobt. Aber TATSÄCHLICH entscheidet allein der Papst nach allen diesen so genannten Beratungen. Von daher ist es sehr legitim, ihn und jeden Papst einen “Allein-Entscheider” zu nennen.

2.
Die unter Nr. 3 ff. hier nur kurz erläuterten und dokumentierten jüngsten Stellungnahmen Leos bestätigen, ganz nebenbei, aber nicht ohne ein gewisses Selbstbewusstsein gesagt, was wir schon seit dem 8.Mai 2025 (Tag der Wahl eines Augustiners zum Papst) mehrfach geschrieben haben LINK: Wer als Papst mit der Theologie – und Ideologie (= Erbsündenwahn des Augustinus) – des heiligen Augustinus aus der Zeit der Antike sozusagen total verbunden ist, kann keine zeitgemäße Kirche, kann keine evangeliumsgerechte Kirche gestalten und reformieren und endlich einer Reformation zuführen.. Und: Der Augustinerorden (OSA) ist bekanntlich und nachgewiesen wahrlich keine Avantgarde (modernen) theologischen Denkens. Wenn die Augustiner Theologie betreiben, dann studieren sie in eigenen Instituten immer wieder die Werke ihres „Vaters“ Augustin…Sonst … leiten die Augustiner weltweit Pfarrgemeinden – wie die Weltpriester – oder betreuen Wallfahrtstorte. Zur Theologie der Befreiung in Lateinamerika haben sich Augustiner weder in Peru noch in Brasilien noch in Mexiko usw. geäußert. Sie sind einfach ängstlich, wollen es sich nicht mit den Hierarchien verderben. Ich freue mich auf Belege zu entsprechenden progressiven Veröffentlichungen aus dem Augustinerorden.

3.
Hier nur Hinweise auf die jüngsten Äußerungen von Papst Leo XIV.. Seine Worte zeigen, wie deutlich er die klassische Rolle eines alleinherrschenden Papstes angenommen hat, etwa wenn er sagt: „Ich werde überlegen, ich werde entscheiden“ etc., selbst wenn freundlicherweise auch das Hören auf andere behauptet wird. Warum hört er dann nicht auf die evidenten theologischen Erkenntnisse zu den von ihm geäußerten Themen?

4.
Frauen können ihre Hoffnungen bzw. Illusionen auslöschen: Das Diakonat für Frauen wird es nach den Worten des „Alleinentscheiders“ Leo nicht geben, das ist um so bemerkenswerter, weil gegen das Diakonat der Frauen absolut gar nichts theologisch -und menschlich !!! – spricht, man lese auch mal das Neue Testament zum Thema. Aber: Der uralten katholischen Dogmatik entsprechend gehören Diakone schon zum Klerus, DiakonInnen würden als Frauen dann in den Herrschaftsbereich des männlichen Klerus eintreten und — das wäre in der Sicht der geistlichen Herren ja nun wirklich furchtbar, ein Machtverlust etc. So wird also aus „Macho – Gründen“ möchte man sagen vom Alleinentscheider Papst das Diakonat aufs theologische Eis gelegt…Wie sich das mit der päpstlichen Rederei von „synodalen Wegen“ etc. verhält, steht in den vatikanischen Sternen… Und viele katholische Frauen werden wohl so klug (frustriert) sein, nun ihre Spiritualität auf neue Art zu leben – außerhalb dieses Männervereins Katholizismus.
LINK

5.
Papst Leo will unbedingt die reaktionären Kräfte in der katholischen Kirche halten, das versteht er wohl mit seiner ständigem Rede von „Einheit“. Den Traditionalisten will er jetzt entgegen kommen, so dass sie doch wieder ihre uralte lateinische Messe „guten Gewissens“ offenbar überall zelebrieren dürfen. Es ist hundertmal nachgewiesen worden: Wer die uralte Messe als Traditionalist verteidigt, der verteidigt eine ganz andere, antimoderne Theologie, anti-ökumenisch, mit starker Tendenz zu sehr rechten und rechtsextremen politischen Positionen. Das haben wir für Frankreich mehrfach nachgewiesen. Insofern folgt Papst Leo hier seinem deutschen Vorgänger im Amt, dem Joseph Ratzinger/Benedikt XIV. Er hat dafür gesorgt, dass politisch und theologische traditionalistische Kloster wie „Le Barroux“ in Süd- Frankreich sich wieder mit dem Papst versöhnten, einzige Bedingung Ratzingers war: Anerkennung des Papstes. Alles andere auch politisch rechtslastige Traditionalistische durften sie bewahren…
Und nun lieben auch so viele konservative junge KatholikInnen die lateinische Messe – etwa in Frankreich – sie lieben das Mysterium als das Mysteriöse, denn die lateinische Sprache der Messe werden sie wohl nicht so präzise verstehen. Zur päpstlichen Liebe zur alten Messe LINK

6.
Der reaktionäre Kurienkardinal Robert Sarah aus Guinea ist einer der heftigsten Feinde der Rechte von Homosexuellen und – wie die allermeisten anderen Bischöfe Afrikas – ein Feind der von Papst Franziskus möglich gemachten Segnungsfeiern von homosexuellen Paaren, diese Segnung ist absolut und total überhaupt NICHT mit einer Eheschließung zu verwechseln, wo käme der Vatikan denn dahin? Tatsache ist auch: Wer Segnungen von Homosexuellen in Afrika verteidigen würde, müsste die Menschenrechte von Homosexuellen in Afrika verteidigen, müßte sich dafür einsetzen, dass sie – wie in Uganda, Kenia, Nigeria usw. nicht länger verfolgt und diskriminiert und getötet werden. Insofern sind die feindlichen anti – gay- Äußerungen von Kardinal Sarah und Co. politisch und ethisch hoch gefährlich. Die Kirchengebote sind wie so oft wichtiger als Menschenrechte für den Klerus … das ist ein altes Thema.
Nun hat also Papst Leo in seiner großen „augustinischen“ (?) Behutsamkeit verlauten lassen, er wolle über diese doch bescheidenen Segnungsfeiern von Homosexuellen „neu nachdenken“. Sie also korrigieren… Das irritiert, hatte er doch zuvor eher die Fortsetzung der von Papst Franziskus vorgegebenen Weisungen bestätigt, etwa in Andeutungen im Gespräch mit dem Jesuiten James Martin aus den USA, der die Rechte der Homosexuellen verteidigt.

Die Stellungnahme des Papstes zur Segnungsfeier von Homosexuellen: LINK 

7.
Welchen Schluss können kritische theologische BeobachterInnen aus diesen jüngsten drei Stellungnahmen Leo XIV. ziehen? Es gibt keine Kirchenreform, die den Namen verdient, mit diesem Papst. Leo ist ängstlich, hat keinen modernen theologischen Schwung, keine eigenen vorwärts weisenden theologischen Ideen.
In den nächsten Wochen könnten sicher weitere Stellungnahmen folgen: Wir ahnen schon die Themen:„Das Zölibatsgesetz werde ich als Papst nicht abschaffen“. „Die Ökumene als versöhnte Verschiedenheit der Kirchen kommt für mich nicht in Frage“. „Die Zulassung zur Kommunion von wiederverheiratet Geschiedenen kommt für mich als Papst nicht in Frage“. „Offen homosexuelle Männer dürfen nicht zu Priestern geweiht werden“ (obwohl in den Klöstern wahrscheinlich die Mehrheit homosexuell lebt…).Und auch dies: „Die Regierung von Trump in meiner Heimat, den USA, werde ich nicht offen kritisieren“ und … dadurch die All-Macht des Diktators Trump weiter wachsen sehen..

8.
Allmählich ahnen wohl einige theologisch munter Gebliebene, warum die Kardinäle ausgerechnet den milden, behutsamen, konservativen, theologisch nun eher ungebildeten Augustiner Kardinal Prevost zum Papst gewählt haben. Wann werden Beobachter sagen – dieser Papst ist eigentlich … eine Fehlbesetzung angesichts der heftigsten Probleme dieser Welt und der Kirchen…Aber das werden nur sehr wenige katholische Theologen in dieser Deutlichkeit öffentlich – bestenfalls post mortem des Papstes – sagen, katholische Theologen und Ordensleute sind nämlich in den allermeisten „Fällen“ auch —- ängstlich, sie wollen ihre Karriere nicht behindern…

…….Fußnote 1:

Jetzt liegt bereits eine Sammlung von 100 Zitaten des Papstes Leo XIV. vor: „Der Friede sei mit euch allen“ ist der Titel, zusammengestellt hat das Büchlein (Verlag Neue Stadt, München, 2025) der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz! Diese Publikation ist der Versuch, nicht vorhandene theologische Publikationen des Papstes Leo ein wenig durch eine Sprüche-Sammlung zu kaschieren. Man könnte auch die Frage stellen: Was hat Robert Prevost eigentlich als Bischof in Chiclayo, Peru, gesagt und publiziert, war er dort etwa ein Befreiungstheologe? Und: Welche Reformimpulse gab er seinem bekanntermaßen eher verschlafenen Augustinerorden als Generalprior? Nichts bekannt.

Die Journalistin Christina Rietz hat das Büchlein der Zitate gelesen und nennt einige Weisheiten Leos: „Gott liebt uns, Gott liebt euch alle, und das Böse wird nicht siegen, hört auf euer Herz.“
Christina Rietz meint sehr treffend dazu: „Das ist alles liebenswürdig, aber erschreckend naiv und weltfremd.“ Sie sieht in diesen Sprüchen zurecht „das Scheitern des christlichen Idealismus in der Welt… und eine große Hilflosigkeit“. Sie
entdeckt in den Zitaten einen Papst als Autor, der ein „Mann der Mäßigung ist, emphatisch und sachlich zugleich … und auch ein bißchen mittelmäßig““ (Christ und Welt, Beilage der „ZEIT”, vom 11.9.2025, Seite 15.) Mittelmäßig ist wohl die treffende Bewertung. Vielleicht wollten die Kardinäle gerade einen „mittelmäßigen“ Kardinal zum Papst wählen. Einen, der in der totalen Klerusherrschaft, eben moderat, nicht durchgreift, schon gar nicht einen, der gar eine Reformation des Katholizismus will (wie Leos „Mitbruder“ im Augustinerorden Martin Luther).
Man kann also nur hoffen, dass Leo wenigstens mittelmäßig bleibt und nicht allzu sehr ins Konservative abrutscht…Dass Leos Theologie eher schlicht gestrickt ist, zeigt das Büchlein: „Christliche Phrasendrescherei“, sei es, schreibt Christina Rietz. Mit alten Sprüchen wird man wohl in einer Welt, von Diktatoren umzingelt und beherrscht, um nur Trump oder Putin zu nennen, nicht einen Frieden bewirken, der mehr ist als ein “Seelenfrieden“, der sich freut auf die bloß himmlische Erlösung und Befreiung. Der Papst und mit ihm die katholische Kirche muss endlich sehr aufpassen, dass sie mit ihren nur metaphysischen Trost – Ergüssen nicht Opium fürs Volk verteilt…

………Fußnote 2: Auf der website von “feinschwarz” schrieb Prof. Sander, Salzburg.:https://www.feinschwarz.net/leo-xiv-ein-leichtmatrose-auf-schlingerndem-kirchenschiff/

 

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Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Buchmesse 2025: Die Philippinen: Sie nennen sich katholisch. Hinweise auf die Realität.

Die Philippinen sind in diesem Jahr „Ehrengast“ der Frankfurter Buchmesse.
Hinweise von Christian Modehn am 18.9.2025

1.
Wie schon zuvor, publiziert der Religionsphilosophische Salon Berlin wieder einige wesentliche Informationen über die Religionen des „Ehrengastes“ der Buchmesse: 2025 sind es die Philippinen.

Unseren philosophischen. d.h deswegen immer auch religionskritischen Interessen entsprechend, steht für uns die dominiernde römisch – katholische Kirche der Philippinen im Mittelpunkt. Das heißt nicht, dass die anderen, zum Teil explizit fundamentalistischen Kirchen nicht auch kritische Aufmerksamkeit verdienen würden. 

Die Philippinen sind wegen ihrer Einbindung ins westliche – us-amerikanische Verteidigungssystem (gegen China) heute von herausragender Bedeutung. Seit 1947 haben die USA für 99 Jahre Hoheitsrechte über 23 Militärstützpunkte…
Ende des 19. Jahrhunderts war die Befreiungsbewegung vom Kolonialherrscher Spanien erfolgreich, nach dem Spanisch – us-amerikanischen Krieg wurden die Philippinen wieder Kolonie, diesmal war der Herrscher die USA. Erst 1946 wurden die Philippinen ein selbständiger Staat.

2.
Die politische Kultur der Philippinen, auch von NGOs gründlich dokumentiert, gilt als sehr schwach: Es besteht eine „unvollständige Demokratie“; beim Freiheitsstatus kann nur das Prädikat “teilweise frei“ genannt werden; für die Pressefreiheit ist es „schwierig“; die Korruption kann als „umfassend“ bezeichnet werden: Im weltweiten Rang stehen dabei die Philippinen auf Platz 114 von 181 Staaten. Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unterhalb der „Armutsgrenze“, jeder 10. Bewohner ist dem Hunger bzw. Verhungern ausgesetzt. „Die Wohlhabenden, die etwa 0,01 Prozent der Bevölkerung ausmachen, kontrollieren 46 Prozent des gesamten Reichtums der Philippinen, sagen einige Analysten. Man kann sich dessen nicht sicher sein, da ein Großteil des Reichtums der Elite im In- und Ausland versteckt ist, die Vermögenswerte zu niedrig angegeben werden und die Steuerzahlungen gegen Null gehen. Der Mittelstand und die Arbeiter zahlen die Steuern.” Quelle: LINK
Mindestens 10 Millionen Filipinos und Filipinas arbeiten ständig im Ausland. Sie wandern aus, um der Armut zu entgehen, mit den „Rücküberweisungen“ ihres Lohns unterstützen sie ihre Familien „zu Hause“. Die meisten Filipinos und Filipinas sind in den sogenannten „3D Jobs“ (= „dirty, dangerous und difficult“) tätig.

3.

Die gesetzliche Trennung von Staat und katholischer Kirche steht auf dem Papier, ist aber keine Realität. Der Klerus hat so genannte katholische Werte (gegen Freimaurer, gegen Ehescheidung usw.) politisch durchgesetzt.
Die Philippinen sind – statistisch gesehen – das einzige katholische Land Asiens. Für die globale Kirchenpolitik und neue „Missionsstrategien“ des Vatikans sind die Philippinen wichtig. Viele philippinische Priester arbeiten auch in Europa als „Missionare“, ersetzen dort den greisen europäischen Klerus in den „schrumpfenden“ Gemeinden.
Seit mindestens 50 Jahren ist die katholische Kirche auf den Philippinen explizit zerrissen zwischen der Akzeptanz traditioneller volkstümlicher Kulte und eines spirituell motivierten Protestes mit gelegentlicher Rebellion gegen das politische Unrechts – Regime. Der aus dem theologisch begründeten Protest folgende soziale Einsatz einiger Katholiken für die Millionen vom System Arm-Gemachten wirkt im ganzen eher bescheiden angesichts des himmelschreienden sozialen Unrechts in diesem Staat und seiner Regierung. Mit “Spenden“ kirchlicher Hilfswerke ist umfassende Gerechtigkeit, wie überall, nicht zu schaffen.

Jedoch: Am 21.9.2025 fanden in Manila und anderen Städten große Protestdemonstrationen gegen die Korruptionsskandale im Umfeld der Regierung statt: Für Hochwasserschutzprojekte wurden, so die Veranstalter, etwa 2.000 Millionen Dollar “beiseitegeschafft. “Der Präsident der katholischen Bischofskonferenz der Philippinen (CBCP), Kardinal Virgilio Pablo David, sagte, dass Korruption „nicht nur öffentliche Gelder stiehlt, sondern die Zukunft stiehlt, wenn Häuser überschwemmt werden, wenn die Natur zerstört wird und die Möglichkeiten unserer Kinder verschwinden“. Die Bischofskonferenz hat daher einen dringenden Appell an das Parlament und die Justiz  gerichtet, um „Untersuchungen und Prozesse zu beschleunigen und sicherzustellen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden,” Quelle: LINK

4.
Etwa 83 Prozent der Bevölkerung nennen sich römisch – katholisch. 4 Prozent nennen sich Protestanten, etwa 3 Prozent gehören der unabhängigen philippinischen Kirche an, gegründet 1902 von Gregorio Aglipay… … Etwa 4 Prozent der Bevölkerung sind Muslims, sie leben vor allem auf der Insel Mindanao, auch dort kommt es immer wieder zu religiös wie sozial bedingten heftigen Auseinandersetzungen.

5.
Zur Missionsgeschichte in Abhängigkeit vom Kolonialherren:
Die ersten spanischen Missionare waren Augustiner, sie kamen 1566 mit den Eroberern ins Land, es folgten Jahre später Franziskaner, Jesuiten, Dominikaner. Eine Ausnahmegestalt: Erster Bischof von Manila wurde der Dominikaner Domingo de Salazar, er klagte öffentlich die spanischen Kolonialherren an, er verbot seinen Priestern, diesen Leuten die Absolution in der Beichte zu erteilen und die Kommunion zu reichen. Der berühmte Bischof Bartholomé de las Casas in Santo Domingo bzw. Mexiko war sein Vorbild.(Quelle. Adorable Castillo, in „Reflexions“, 16. Juli 2021, www.cicm-mission.org)
Im 19. Jahrhundert setzten sich einige philippinische Priester (oft „Mestizen“) gegen die Übermacht der spanischen Kolonialherrscher ein: Diese Initiative nannte sich „Säkularisierungsbewegung“, wichtig war für sie die Gleichberechtigung von Filipinos und Spaniern sowie die Einschränkung der Macht der spanischen Ordensgemeinschaften. Einer der wichtigen Protagonisten war der philippinische Priester Pedro Pelaez (1812-1863)Ein weithin unbekanntes Thema in Europa.

6.
Mit den spanischen Kolonialherren wurde die katholische Volksreligion verbreitet und im Laufe der immer oberflächlichen „Evangelisierung“ mit einheimischen religiösen Kulten vermischt. Millionen fromme Katholiken besuchen auch heute, 2025, die Kirche von Quiapo, um Jesus als den „schwarzen Nazarener“ zu verehren. Millionen lieben über alle Maßen das „Santo Nino“, das Jesus – Kind, etwa von Cebu: Dort wird eine wundertätige Figur, die angeblich 1521 vom spanischen Eroberer Magellan ins Land gebracht wurde, der massenhaften Verehrung feilgeboten.
Besonders irritierend sind die sich katholisch nennenden Gebräuche im Umfeld der Wochen vor Ostern, zumal am Karfreitag. Da peitschen sich hunderte von Filipinos ihre Rücken mit Bambusruten blutig. Sie meinen, dadurch von Sünden befreit zu werden. Aufwendig inszenierte Kreuzigungen auf freiem Feld sind noch übliche „Frömmigkeits – Beweise“, auch als Touristen – Attraktionen, „bei denen sich Freiwillige tatsächlich mit bis zu acht Zentimeter langen Nägeln durch Hände und Füße an ein Holzkreuz schlagen lassen“, berichtet die katholische Herder-Korrespondenz in Heft 6/2019. Es müssten endlich kirchlich unabhängige Psychologen und Soziologen diese religiösen Verirrungen untersuchen: Etwa den Zusammenhang von sozialem Elend und der Sehnsucht nach Erlösung durch schmerzhafte und blutige Selbstbestrafung. Die sich katholisch nennende Volksreligion wird auch von katholischen Theologen kritisiert, aber sie können nicht viel bewirken zugunsten einer vernünftigen religiösen Besinnung. Volksreligion widersetzt sich der kritischen Vernunft. Und Volksreligion wurde von dem argentinischen Papst Franziskus hoch gelobt und selbst praktiziert, man denke an den Kult „Maria Knotenlöserin“.…

7.
Die Priester werden immer noch sehr hoch geschätzt, sie stehen an der Spitze der sozialen Hierarchie, wohl auch deswegen werden immer noch viele junge Filipinos Priester. Priesterwerden ist in asiatischen Ländern (Indien, Indonesien) sicher auch ein Karrieresprung, da wird das Zölibatsgesetz irgendwie in Kauf genommen… Dazu gehört auch: Wegen des höchsten Ansehens des Klerus wird sexueller Missbrauch durch Priester von den Bischöfen meist übersehen, wie der katholische Nachrichten ADEXTRA in Paris am 30.1.2025 berichtet. Quelle: LINK
Eine angesehene Ausnahmegestalt ist der irische Priester Shaw Cullen, der sich vor allem für den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung einsetzt. Quelle: LINK , siehe auch die und Hinweise auf Cullen Bücher: LINK

8.
Die Begeisterung für katholische Führergestalten ist immer noch groß: Papstbesuche werden äußerst exzessiv gefeiert: Zur Abschlussmesse von Papst Franziskus in Manila im Jahr 2015 versammelten sich tatsächlich etwa sechs Millionen Menschen. Quelle: LINK.  Diese riesig – große öffentliche Messe mit Papst Franziskus im Januar 2015 fand in einem nach dem Freimaurer José Rizal (1869 -1896, erschossen im Freiheitskampf) benannten großen Park in Manila statt. Rizal übte heftigste Kritik an der Korruption und dem Landraub wie auch Kritik an der Kirche als einer Stütze der spanischen Herrschaft, vor allem sein Roman „Noli me tangere“ (1887) ist wichtig, er war wohl eine Inspiration für die philippinische Unabhängigkeitsbewegung.
Und es ist sehr „pikant“, möchte man sagen, dass in dem Park der Papst-Messe 2015 eine Infotafel angebracht ist: der erste Staatspräsidenten Emilio Aguinaldo (er regierte nur einige Wochen 1899) bezieht sich dabei auf den Kampf gegen die Spanier, der Text: „Die erfolgreiche Revolution von 1896 war von Freimaurern inspiriert …, und ich wage sogar zu sagen, dass die erste Republik … in erster Linie dem Freimaurertum und den Freimaurern zu verdanken war.“Quelle:  LINK  Und es ist wieder bezeichnend: Heute verbietet die katholische Kirche erneut Katholiken die Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge: Quelle: LINK . Und vor kurzem, September 2025, wurde ein philippinischer Augustiner-Priester suspendiert, weil er es wagte, einen Freimaurergedenkstein zu segnen, Quelle. LINK

9.
Gäbe es eine wirkliche Trennung von Kirche und Staat auf den Philippinen, könnte sich die katholische Hierarchie nicht mehr politisch durchsetzen. Neben dem Vatikan sind die Philippinen der einzige Staat weltweit, der das Recht auf Scheidung ausschließt. So werden Frauen und Kinder gesetzlich nicht vor vielfachem Leid geschützt. Aber das wird wohl kirchlicherseits akzeptiert…

10.
Die “interessanteste” „Erfindung“ im Katholizismus der Philippinen in den letzten Jahre ist sicher die katholische, aber ökumenisch offene charismatische Bewegung mit dem Titel „El Shaddai“ (eine Bezeichnung für Gott aus dem Alten Testament mit der Bedeutung „Allmächtiger Gott“). Gegründet 1984 von dem katholischen Laien Mike Verde (geb. 1939), der sehr wohlhabend und als Makler tätig ist und auch über eine einflußreiche Radio- und Fernsehstation verfügt. Und so seine persönliche Botschaft vom Wirken des heiligen Geistes verbreitet. Diese charismatische Bewegung hat mindestens 3 Millionen Mitglieder. In ihrer freien Auslegung der Bibel ist die Tendenz vorherrschend, Reichtum für jeden Frommen zu versprechen, sofern er zum Spenden bereit ist, dies wird als als Ausdruck der Erlösung gedeutet. Wikipedia schreibt: „Sein Predigtstil unterscheidet sich nicht von dem vom Wohlstandsevangelium geprägter Pfingstprediger. Er verspricht allen Gottes finanziellen und materiellen Segen, sofern sie treu an den Gottesdiensten teilnehmen, den Zehnten und andere Opfergaben entrichten und gehorchen. Zu Velardes praktischer Theologie gehört die Verwendung bestimmter unbelebter Gegenstände wie Taschentücher, Sparbücher und Regenschirme, die während des Gottesdienstes hochgehalten werden.“ Google Übersetzung von: LINK
„El Shaddai“ findet immer wieder mal Widerspruch von offizieller katholischer Seite. Aber einige Millionen Fromme und eher Wohlhabende sind mit EL Shaddai verbunden, auch außerhalb der Philippinen. Das können die Bischöfe nicht ignorieren. Sehr fromm Erscheinende sind angesehener als republikanisch gesinnte Freimaurer… Der für neue, sich „geistlich“ nennende Bewegungen begeisterte polnische Papst Johannes Paul II. hat dieser “El Shaddai” seinen „apostolischen Segen“ erteilt. Diese konservativ – fromme Gemeinschaft, manche sagen Sekte, setzte sich 2022 für den Sohn des früheren Diktators und Milliardärs Ferdinand Marcos, also für Bongbong Marcos, als Präsidentschaftskandidaten ein. Mit erfolg! Diese Gemeinschaft EL SHADDAI ist international verbreitet, auch in Europa vertreten. In Amsterdam z.B. trifft man sich“ ganz offiziell an jedem Sonntag in der katholischen “Vredeskerk“, in Berlin gibt es eine Gemeinde mit der Zentrale in dem gepflegten, schönen denkmalgeschützten Haus in der Hauptstraße 134 in Schöneberg, Tel. 030 7811483 . LINK
Einen Einblick in eine Massenveranstaltung von El Shaddai bietet. LINK.
Einige kritische Stimmen zu El Shaddai“ sind in „Reddit“ versammelt. LINK

11.
Während der Diktatur der katholischen Familie Marcos (Ferdinand Marcos beherrschte als Diktator das Land von 1972 – 1986) wurden, so Amnesty International etwa 70.000 Menschen inhaftiert, 34.000 gefoltert und 3.240 getötet. Schätzungen zufolge hat die Marcos-Familie bis zu zehn Milliarden US-Dollar Staatsvermögen an sich genommen.Quelle: LINK.
Im Februar 1986 wurde die Gewalt in der Marcos – Diktatur immer unerträglicher, 2 Millionen Menschen gingen protestierend auf die Straße, unterstützt von Kardinal Sin von Manila: Als Panzer auf die Menschen zufuhren, knieten sich die Menschen hin, mit Rosenkränzen in den Händen… Das half wohl, das Marcos Regime zu stürzen, behaupten Katholiken. Die US – Streitkräfte auf den Philippinen sorgten dafür, dass der Diktator fliehen konnte – nach Hawaii, dort starb er 1989. Rechtsextremen Diktatoren haben die „demokratischen“ USA immer schon sehr gern geholfen…

12.
Es gehört zur turbulenten, zur leidvollen Geschichte der Christen auf den Philippinen, dass sich schon seit etwa 1975 heftigster Widerstand gegen das Unrechtsregime formierte, und zwar durch einzelne Priester. Einige haben sich der Guerilla angeschlossen, etwa Pater Conrado Balweg aus dem Orden „Gesellschaft des göttlichen Wortes“ SVD, auch Steyler Missionare genannt. Auch Pater Ed de la Torre SVD gehörte zu den politisch aktiven Befreiungstheologen. Die Geschichte der philippinischen Befreiungstheologie ist meines Wissens mindestens in Deutschland weithin unbekannt. Verdienste hat in dem Zusammenhang der in Potsdam lehrende katholische Theologe und Religionswissenschaftler Johann B. Hafner: Er hatte hat sich 1984-1985 auf den Philippinen aufgehaltenen und wurde dort zur Recherche über die politisch aktiven Priester der SVD ermuntert, die sich damals dem gewaltsamen Widerstand gegen das Regime Ferdinand Marcos (1965-1986) angeschlossen hatten.
Siehe auch LINK zur Studie Hafner von 2020: LINK

13.
Ein zusammenfassendes Schlusswort zu diesen noch viel zu knappen Hinweisen kann nur zeigen: Die katholische Kirche auf den Philippinen schwankt, was den hohen Klerus angeht, hin und her zwischen einer Staatsnähe zu umstrittenen Politikern und einer Unterstützung einiger Ordensfrauen und Priester, die sich der sozialen Gerechtigkeit in der PRAXIS verschrieben haben.

14.
Es ist eines dieser typischen Paradoxe der Philippinen: 2022 wurde ausgerechnet der Sohn mit dem Vornamen Bongbong des verhassten Multimilliardärs und Diktators Marcos, Staatspräsident. Und ausgerechnet wurde 2022 auch die Tochter des ebenso verhaßten Präsidenten Rodrigo Duterte (Präsident 2016-2022) Vize-Präsidentin. In diesen Fällen tut die Kirchenführung so, als sei sie völlig demokratisch gesinnt und respektiere großzügig die „demokratische“ Wahl, die Hierarchie beruft sich dann gern aufs„Gemeinwohl“, um diesen neuen Machthabern zuzustimmen. Seinen Wahlsieg hat BongBong, der Sohn des Diktators, mit den Mitteln der neuen sozialen „Netzwerke“ erlangt; was bei den vielen Millionen Jugendlichen dort leicht geht. Quelle: LINK

Papst Franziskus hat dem Marcus junior – Präsidenten Bongbong am 30. Juni 2022 zur Wahl gratuliert. Quelle: LINK

Was sollen die kritischen Katholiken und ihre Priester dazu noch sagen? Wieder einmal siegt im Vatikan der Geist der Diplomatie über die Verpflichtung zur kritischen, prophetischen Rede. Wahrscheinlich ist ein Papst auch deswegen immer nicht nur „geistliches Oberhaupt“, sondern auch Alleinherrscher des „Heiligen Stuhls“, der Vatikanstadt, um sich solche globalen politischen Stellungnahmen erlauben zu können. Wahrscheinlich sichert der Papst mit diesen Glückwünschen, wie immer schon bei den Päpsten, den Erhalt der katholischen Privat – Schulen und sonstiger kirchlicher Privilegien. Aber das ist anderes Thema, das zu „Sinn und Unsinn des Papsttums“ führt.

15.
Ein Schlusswort: Es ist bezeichnend und durchaus typisch: In einem Staat, in die große Mehrheit der Einwohner sich katholisch nennt, also getauft sind, dass also dort seit Beginn der Kolonialherrschaft eher chaotische politische und soziale Verhältnisse herrschen. Eine Demokratie, die den Namen verdient, haben die Philippinen nie erlebt. Und wir wissen: Dieser Missstand hat entscheidend auch mit der Übermacht des Katholizismus zu tun, für den der dogmatische Wille der Hierarchie stets wichtiger ist als die humanen Weisungen des Evangeliums Jesu von Nazareth. Man verehrt auf infantil – brutale Weise auf den Philippinen – wie in vielen Ländern des katholischen Lateinamerika – eine Christus-Ideologie. Dazu gehört: Die Menschenrechte gelten dieser Kirche wie überall nicht als völlig gleichwertig wie die uralten Dogmen. Solange dieser religiöse Wahn fortbesteht, werden auch die chaotischen, menschenunwürdigen Verhältnisse auf den Philippinen fortbestehen. Man darf wohl sagen: Diese Gestalt des offiziellen populären Katholizismus ist spätestens heute eine Schande. Trösten können sich die verblieben kritischen, d.h. vernünftigen Katholiken dann noch mit dem klaren sozial – politischen Engagement einiger Nonnen und Priester dort. Für sie sind die Menschlichkeit, die Gerechtigkeit für alle wichtiger als die dogmatischen Lehren und sexualethischen Weisungen von vorgestern. Werden theologische, religionswissenschaftliche, religions-kritische Bücher von philippinischen AutorInnen auf der Buchmesse in Frankfurt diskutiert oder wenigstens erwähnt? Eher sehr unwahrscheinlich…

16.

Sehr wichtig und lesenswert ist die politisch – theologische Analyse des katholischen philippinischen Theologen Pater Jaazeal Jakosalem aus dem Orden der Augustiner-Rekollekten. LINK.  Der Theologe nennt unter drei religiösen Gemeinschaften, die 2022 explizit auch die Wahl von Marcos junior zum Präsidenten untertsützten: “Es gab drei große religiöse Institutionen, die die Kandidatur von Ferdinand Marcos Jr. offiziell unterstützten: Dazu gehört: El Shaddai Charismatic Movement – ein katholischer Zweig der Charismatischen Bewegung, der von dem umstrittenen
Evangelisten Mike Velarde gegründet wurde. Der Gründer unterstützte die damaligen Kandidaturen von Ferdinand Marcos Jr. als
Präsident und Sara Duterte als Vizepräsidentin.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

Wird Papst Leo den Mut haben, sich gegen den Diktaktor Trump zu stellen und sich gegen die Abschaffung der Demokratie in den USA sehr deutlich auszusprechen?

Die 29. unserer „Unerhörten Fragen“: Von Christian Modehn am 9.9.2025

Diese 29. Frage vom 9.9.2025 muss am 21.9. 2025 einen neuen, einen aktuell treffenderen Titel erhalten: Hat der aus den USA stammende Papst Leo XIV. die Kraft, den Mut, sich gegen den Diktator Trump zu stellen? Unsere Prognose:  Diese Kraft hat Leo, der ausgeglichene, immer milde, immer zögerliche Augustiner, NICHT. Als Papst müsste er aber eigentlich um der Menschen willen dem Wahn der Abschaffung der Demokratie in den USA Einhalt gebieten, um der Menschenrechte willen… Aber die “Deklaration der Menschenrechte der UNO” von hat der Vatikan nicht unterzeichnet… Na dann..

Unerhörte Fragen sind unerhört: Weil sie kaum jemand hören will. Will sie frech, aber wahr sind. CM. Und die “unerhörten Fragen” beziehen sich immer auch auf Religionskritik: Eine Hauptbeschäftigung der Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie. 

1.
Papst Leo XIV. ist bekanntlich in Chicago als Robert Prevost geboren, vor genau 70 Jahren, am 14. September 1955. Wird er seine Heimatstadt retten können vor dem angekündigten Eingreifen der „Nationalgarde“ in Chicago? Wird er die bedrohten Menschen dort verteidigen? Militärs will der Diktator Trump alsbald in diese von Demokraten regierte Stadt senden. Denn er hat sein Verteidigungsministerium jetzt sehr treffend und, endlich mal ehrlich für die ganze (!) US – Geschichte, in „Kriegsministerium“ um-benannt. Jetzt erklärt der Diktator Trump den von Demokraten, also demokratisch, regierten US – Städten den Krieg. Ein Auftakt zum Bürgerkrieg? Nicht unwahrscheinlich bei einem Diktator, der, wie seine Fans, ideologisch nur ein Nihilist und ein „Dealer“ ist.

2.
Aber ist Papst Leo überhaupt in der Lage, seinen „Präsidenten“ öffentlich zu rügen, ihn zu verurteilen, ihn als Kriegstreiber zu bezeichnen? Wird Papst Leo sich explizit und deutlich, für alle wahrnehmbar, auf die Seiten der Demokraten in Chicago stellen?

3.
Wer auch nur ansatzweise etwas von der Diplomatie und der Politik des Papsttums verstanden hat und vor allem jetzt auch von der äußerst behutsamen und sehr ängstlichen Haltung dieses Papstes weiß, der führend im AugustinerOrden  ist und ständig in den Gedanken des antiken Theologen Augustinus denkt, und ihn lobt… (gestorben 430), der wird sich keine Hoffnung machen, dass der Chicagoer Bürger Prevost für seine Landsleute öffentlich und laut eintritt und den Diktator verurteilt.

4.
Es muss ein Wunder geschehen, dass ein von der Theologie des antiken Theologen Augustins geprägter Papst etwas Bahnbrechendes, Mutiges, wenigstens Wegweisende zugunsten der Menschenrechte etc. sagt. Aber als Papst weiß er: Allzu sehr darf er die Demokratie von anderen nicht fordern, wo doch die katholische Kirche als Institution sich sogar offiziell rühmt, KEINE Demokratie zu sein. Das sind die Zwänge der Bindung an uralte, verkalkte Traditionen…Die kann man letztlich nur überwinden, wenn man aufs Papsttum verzichtet, wie der Augustiner Pater Martin Luther OSA vor 500 Jahren sehr richtig sah.
Aber: Das ist totale Illusion. Bestenfalls Thema für eine unerhörte Frage Nr. 56.676 im Jahr 2120, falls dann Gottes Schöpfung, UNSERE gemeinsame, eigentlich schöne Erde, noch besteht, aber: eher unwahrscheinlich..

5.
Aber:  Vielleicht fährt Papst Leo im Umfeld seines Geburtstages in seine Heimatstadt und stellt sich den Nationalgarden leibhaftig entgegen. Ein Museum zu Ehren des Herrn Prevost haben die frommen Leute in Chicago schon eingerichtet, soll der Papst doch sein Museum einweihen.. Bisher hat Leo XIV. – wie alle vor ihm, Papst Franziskus war vielleicht ein bißchen anders – nur sehr zurückhaltend seine politischen „Besorgnisse“ geäußert oder die üblichen Mahnungen (BlaBla üblicherweise von Kennern genannt) daher gesagt oder hilflos zu Bittgebeten aufgefordert: Ja, ja, der liebe Gott im hohen Himmel wird es schon richten, weil sogar die Christen, die Katholiken, zu schwach, zum wirksamen Protest zu blöd und zu unkritisch sind…

6.
Aber, wenn Papst Leo als Chicagoer und US Bürger sich doch aufrafft und den Diktator Trump öffentlich einen Diktator nennt, der bitte sofort die Militärs aus Chicago und allen anderen US – demokratischen Städten abziehen soll, dann könnten Leo und die schrumpfende noch demokratisch verbliebene Welt erleben, wie dieser Trump mal so heftig rumtobt und dabei die katholische Kirche und den Papst verurteilt. Etwas Besseres könnte dem Papst und dieser Kirche nicht geschehen. Eine Ehre ist es doch, von einem Diktator verurteilt zu werden.

7.
Aber ich weiß: Papst Pius XII. hat deswegen Hitler nicht sehr deutlich verurteilt oder Hitler als Katholiken exkommuniziert, weil er als Papst “seine” Kirche (immer gemeint: die klerikale Organisation !) retten wollte, die Rettung der Juden war dann zweitrangig… So wird es bei Leo – ewigen vatikanischen Zwängen entsprechend – wohl auch sein: Leise weinend wird er etwas widersprechen, den lieben Gott um Hilfe bitten, Augustinus zitieren, und: das war es. Und der Diktator hat gesiegt. Ein Schande.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer- Salon.de